Gemeinhin gilt das Bausparen als eine urschwäbische Erfindung. Daher dürfte es viele zunächst überraschen, dass der Gründer der ersten deutschen Bausparkasse, Georg Kropp, ein Mann aus Pommern war. 1865 erblickte er in Swinemünde, am östlichen Zipfel der Insel Usedom gelegen, das Licht der Welt. Doch Georg Kropp legte nicht nur die Grundlagen für sein Modell gemeinschaftlichen Zwecksparens im Schwäbischen, genauer in Wüstenrot, einer Ortschaft im Schwäbischen Wald im Landkreis Heilbronn. Sondern er setzte es ab 1921 auch von dort aus in die Tat um.
Heute ist das Bausparen ein bedeutender Faktor der Wohnungsversorgung, der Eigentumsbildung und der persönlichen Altersvorsorge. Daran werden nach Überzeugung von Bernd Hertweck, Vorstandsvorsitzender der Wüstenrot Bausparkasse AG, auch die gegenwärtig extrem niedrigen Zinsen nichts ändern: „Bausparen hat Zukunft. Sein Ziel ist unverändert modern. Das Geschäftsmodell ist flexibel und damit auch an grundlegend veränderte Umstände anpassungsfähig. Die aktuellen Bausparkonditionen sind konkurrenzfähig. Und weil die Phase extrem niedriger Zinsen irgendwann endet, gewinnt gerade die Funktion des Bausparvertrags als Zinssicherungsinstrument noch sichtbarer an Bedeutung.“ Rund 26 Millionen Bausparer gibt es heute in Deutschland. Mehr als drei Millionen Bausparverträge werden Jahr für Jahr neu abgeschlossen, 30 Milliarden Euro Spargelder pro Jahr darauf eingezahlt. Schon diese wenigen Zahlen zeigen, dass das Bausparen in Deutschland fest verankert ist.
Das gilt auch für die Wüstenrot Bausparkasse. Sie genießt einen hohen Bekanntheitsgrad. 95 Prozent der Kunden sind mit ihr zufrieden, sehr zufrieden oder vollkommen zufrieden. Und sie ist erfolgreich – gemessen am Neugeschäft ist sie die Nummer zwei unter den privaten Bausparkassen.
Erst Drogist, dann Redakteur
Kropp hatte bis zur Gründung der „Gemeinschaft der Freunde“ 1921 bereits einen bewegten Lebens- und Berufsweg hinter sich gebracht. Schon früh war er mit seinem Vater, einem Segelschiffkapitän, auf Ost- und Nordsee unterwegs. Später begann er in der Drogerie, die sein Vater zwischenzeitlich eröffnet hatte, eine Drogistenlehre und absolvierte anschließend mit großem Erfolg die Drogisten-Akademie in Braunschweig. Als Dreißigjähriger gründete er in Mannheim eine eigene Drogerie mit angeschlossener kleiner pharmazeutischer Produktion. Aufgrund fehlenden Kapitals war er jedoch bald zur Aufgabe dieser Geschäfte gezwungen und übernahm für einen Verlag die Aufgabe, Reklameschriften für Apotheken und Drogerien herauszugeben.
Damit hatte er die Weichen für seinen weiteren Berufs- und Lebensweg gestellt. Schon bald übernahm er zum Beispiel die Redaktion einer Fachzeitschrift. Ab 1918 erschien in einem Verlag in Heilbronn „Georg Kropps neuer allgemeiner Volkskalender – Der Michel“, den er auch als Sprachrohr der Gedanken und Überzeugungen nutzte, die ihn immer stärker bewegten. Darin finden sich zum Beispiel erste deutliche Hinweise auf sein späteres Lebenswerk, seinen großen Plan, eine „Gemeinschaft der Freunde“ zu gründen, die den Menschen helfen sollte, zu Eigentum an Haus und Boden zu kommen. Ende 1919 über-siedelte er in das damals noch recht abgelegene Dorf Wüstenrot bei Heilbronn, wo er ein kleines Häuschen gekauft hatte; 1989 wurde darin Deutschlands erstes und bisher einziges Bausparmuseum eingerichtet. Christoph Seeger, Leiter des Museums: „Aus diesem kleinen Haus verbreitete sich die geniale Idee des Bausparens in ganz Deutschland und Österreich, eine Idee, die ähnlich wie die elektronischen Medien unsere Lebenswelt grundlegend verändert hat.“ Der Kerngedanke: Bauinteressenten schließen sich zusammen, sparen für ein eigenes Haus in einen gemeinsamen Topf, aus dem sie später ein zinsgünstiges Darlehen erhalten, und kommen dadurch früher zum Ziel. Parallelen zur Idee der Genossenschaft waren also durchaus gegeben.
Gründung der Gemeinschaft der Freunde
Kropp blieb mit seiner Idee nicht allein. Er überzeugte schwäbische Freunde von der Tragfähigkeit seiner Vorstellungen. Zu ihnen zählten unter anderem die württembergische Landtagsabgeordnete Mathilde Planck und der Leiter der Stuttgarter Postkrankenkasse Robert Ankele. Am 10. Mai 1921 beschlossen sie im Evangelischen Hospiz Herzog Christoph in Stuttgart die Gründung des Vereins „Gemeinschaft der Freunde“, aus dem die spätere Bausparkasse „GdF Wüstenrot“ hervorging.
Ein reichliches Jahr nach Gründung der GdF bewog die heraufziehende Hyperinflation Georg Kropp, die bereits eingegangenen Spargelder an die Einzahler zurückzugeben; sie wären bald kaum noch etwas wert gewesen. Nach überstandener Inflation erfolgte 1924 ein Neustart mit modifiziertem Konzept als Deutschlands erste Bausparkasse. Am 7. April jenes Jahres trat der erste Bausparer der GdF bei. Es war der Heidenheimer Bahnhofsvorsteher Johannes Rau. Sein Vertrag lautete über 12.000 Goldmark.
Wenngleich der Anfang mühevoll und von vielen Anfeindungen von außen begleitet war, nicht zuletzt von der etablierten Kreditwirtschaft, fiel die Idee des gemeinschaftlichen Zwecksparens doch auf fruchtbaren Boden. Schon im ersten Jahr schlossen nahezu 1.000 Bausparer Verträge bei der „Gemeinschaft der Freunde“ ab. Die erste Baugeldzuteilung im November 1924 – der Heidenheimer Postautofahrer Josef Kümmel erhielt 10.000 Mark – gab dem Bausparen weiteren Auftrieb.
Umzug nach Ludwigsburg
Georg Kropp reiste zu jener Zeit im Lande herum, um in Reden und Vorträgen für das Bausparen zu werben. Fast 10.000 neue Bausparer stießen 1925 zur Bausparkasse der „Gemeinschaft der Freunde“. Ebenso rasch stieg die Zahl der Beschäftigten: Waren es Ende 1924 noch sechs, stieg die Zahl 1925 schon auf 45 und bis Ende 1928 auf 230. Als Folge davon wurde es in Wüstenrot, das nur etwa 500 Einwohner zählte, schnell zu eng, vor allem hinsichtlich der Wohnmöglichkeiten für die Beschäftigten. Hinzu kamen andere Mängel wie die damals noch schlechte Verkehrs- und Postanbindung des Walddorfs. Geschäftsführung und Aufsichtsrat der mittlerweile in eine gemeinnützige GmbH umgewandelten Bausparkasse beschlossen daher im August 1928, Wüstenrot zu verlassen.
1930 verlegte die Gemeinschaft der Freunde ihren Sitz nach Ludwigsburg – allerdings gegen den ausdrücklichen Willen Kropps, so dass es sogar zum Bruch zwischen ihm und der GdF kam. Vorstand und Aufsichtsrat waren jedoch überzeugt, durch den Umzug die Voraussetzung für die Sicherung und für den weiteren Ausbau des Kropp’schen Werks zu schaffen und damit letztlich im Sinne Kropps zu handeln. Der Bruch war auch nicht endgültig, denn bei der Feier zum zehnjährigen Bestehen der Bausparkasse 1934 war Georg Kropp als Ehrengast anwesend. Die Festredner würdigten seine Verdienste um das deutsche Bausparwesen, dem sich zu dem Zeitpunkt bereits rund 325.000 Menschen als Bausparkassenkunden verbunden fühlten.
Der enorme Erfolg nach der Währungsreform
Der eigentliche große Durchbruch des Bausparens ließ allerdings noch etwas auf sich warten. Der Startschuss fiel im Juni 1948 mit der Währungsreform. Schon 1949/50 lagen die Abschlusszahlen des Neugeschäfts und die Spargeldeingänge bei den Bausparkassen um ein Vielfaches über denen der Vorkriegszeit. Die Bilanzsumme aller Bausparkassen stieg ab Ende 1949 innerhalb von 15 Jahren um fast 7.000 Prozent – von 263 Millionen DM auf mehr als 18 Milliarden DM.
Georg Kropp hat diesen enormen Erfolg seiner Gründung nicht mehr erlebt. Er starb am 21. Januar 1943 in Wüstenrot, wo er auch begraben wurde.
Die Bausparkasse seiner GdF hatte nach ihrem Umzug nach Ludwigsburg zur Erinnerung an den Ort der Gründung, der zum Inbegriff des Bausparens schlechthin geworden war, „Wüstenrot“ in seinen Namen aufgenommen. 1999 haben sich Wüstenrot und die Württembergische Versicherungsgruppe unter dem Dach der Wüstenrot & Württembergische AG (W&W AG) zusammengeschlossen. Mehrheitsaktionär der W&W AG mit 66 Prozent ist über die Wüstenrot Holding AG die Wüstenrot Stiftung, die aus Georg Kropps Gründerverein „Gemeinschaft der Freunde“ hervorgegangen ist. Sie arbeitet seit 1990 bundesweit in den Bereichen Denkmalpflege, Wissenschaft, Forschung, Bildung, Kunst und Kultur und ist eine der großen Stiftungen in Deutschland. Sie ist ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig tätig. Das Lebenswerk Georg Kropps hat so in der Wüstenrot Stiftung einen würdigen Träger und Bewahrer gefunden.