Der Versammlungsleiter einer im rechten Spektrum angesiedelten Veranstaltung hatte einen Grünen Bundestagsabgeordneten u.a. als „Obergauleiter“ bezeichnet. Zitat: „Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen.“
Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung in Form einer Schmähkritik zu einer Geldstrafe. Auf die Berufung des Beschwerdeführers verwarnte das Landgericht den Beschwerdeführer und behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe vor. Die Revision zum Oberlandesgericht blieb erfolglos. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die gerichtlichen Entscheidungen und rügt im Wesentlichen die Verletzung seiner Meinungsfreiheit.
"Obergauleiter" erkennbar unzutreffend
Das Bundesverfassungsgericht hatte den Vorfall anders zu bewerten als die Vorinstanzen, denn deren Entscheidungen verletzten den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Demnach darf Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen. Um den hohen Anspruch einer Schmähkritik zu erfüllen, müssten Äußerungen deutlich herabsetzender sein und sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen.
Weiter stellte das Gericht auf die weiteren Geschehnisse des Tages ab: Der Politiker hatte die Versammlungsteilnehmer vorher seinerseits als „Braune Truppe“ bezeichnet und in ihnen „rechtsextreme Idioten“ erkannt. Dass die Einordnung als „Obergauleiter“ erkennbar unzutreffend und lediglich eine Reaktion auf die Angriffe des Politikers war, wertete das Gericht als eindeutiges Zeichen gegen das Vorhandensein einer „Schmähkritik“.
Die Vorinstanz wird sich nun etwas intensiver mit den Umständen rund um die Veranstaltung befassen müssen und abzuwägen haben, wie das Vorverhalten des Geschädigten, der immerhin die Versammlung verhindern wollte, zu bewerten sei und ob die Reaktion darauf wirklich eine Schmähkritik darstellt.
Beschluss vom 08. Februar 2017 - 1 BvR 2973/14