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Wie hoch ist der Blutzoll der Revolution?

Georg Büchners "Dantons Tod" hat am 17. November im Großen Haus Premiere

(lifePR) (Heilbronn, )
Mit seiner Sprachgewalt, der Schärfe seiner dialektischen Betrachtung und seiner philosophischen Tiefe steht Büchners Drama "Dantons Tod" an herausragender Position in der deutschen Literatur- und Theatergeschichte. Am 17. November hat es in der Inszenierung von Axel Vornam Premiere im Großen Haus des Theaters Heilbronn. Die Unerbittlichkeit der Fragen Büchners besticht noch heute und treibt auch den Regisseur mit seiner Inszenierung um: Kann es geschichtlichen Fortschritt geben? Braucht es dabei den Einzelnen? Und wie hoch muss der Blutzoll sein? Oder ist Geschichte die ewige Wiederkehr des Gleichen?

Er war erst 21 Jahre alt, als Georg Büchner 1835 - angeblich in nur fünf Wochen - das faszinierende Revolutionsdrama "Dantons Tod" schrieb. Anhand vieler Originaldokumente beleuchtete er einen entscheidenden Abschnitt der französischen Revolution.

März 1794, Phase II der Französischen Revolution, die als Terreur (Schreckensherrschaft) in die Geschichtsschreibung eingehen sollte. König Ludwig XVI. wurde vor mehr als einem Jahr hingerichtet. Das Volk, das gegen Armut und Unterdrückung 1789 auf die Straße gegangen ist, hungert immer noch. Die Guillotine arbeitet pausenlos. Alle Feinde der Revolution, ob mutmaßlich oder nachweisbar, werden hingerichtet. Auf dem Höhepunkt dieser Schreckensherrschaft werden zwei Heroen der Revolution zu erbitterten Gegnern: Georg Danton und Maximilien de Robespierre.

Danton ist des Tötens überdrüssig. Er plädiert mit seinen Anhängern dafür, das Blutvergießen zu stoppen: "Die Revolution muss aufhören und die Republik muss anfangen". Robespierre und seine Leute hingegen sehen im Ende des Terrors einen vorzeitigen Abbruch der Revolution, die ihre sozialen Ziele noch nicht erreicht hat, solange die Massen hungern müssen: "Die Unterdrücker der Menschheit bestrafen ist Gnade, ihnen verzeihen ist Barbarei", sagt Robespierre. Und Danton, der sich, wie Robespierre es sieht, der revolutionären Bewegung in den Weg stellt, müsse ausgeschaltet werden.

Beide Akteure der Revolution, Danton und Robespierre, sind von Zweifeln ob der Sinnhaftigkeit ihres Handelns zerfressen. Wie weit darf, muss man im Namen des Fortschritts gehen? Oder hat St. Just recht, dass die Schritte der Menschheit langsam sind und sich hinter jedem Fortschritt die Gräber von Generationen erheben?

Danton wird dem Fortgang der Revolution geopfert. Seine Prognose: "Die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder", erfüllt sich schließlich an ihm selbst.

Allerdings war die Französische Revolution für Büchner nur die Folie, um die Erfahrungen seiner eigenen Zeit, der Restauration, zu verarbeiten. Während seiner Studienjahre in Straßburg 1831-1833 hat er die Folgen der bürgerlichen Julirevolution in Frankreich kennen gelernt, die zunächst so hoffnungsvoll mit dem Sturz des letzten Bourbonenkönigs begann und Impulse für ganz Europa gab. An der Situation der Julirevolutionäre (Arbeiter, Studenten, Intellektuelle) änderte sich aber auch mit der Einsetzung des neuen Bürgerkönigs nichts, denn die Macht lag nun in den Händen von Bankiers, Fabrikanten, Großhändlern und Spekulanten. Das Volk ging erneut auf die Barrikaden. Doch der Aufstand wurde vom neuen "bürgerlichen" Regime brutal niedergeschlagen.

Büchner erlebte nicht nur die Julirevolution als Reihe von Rückschlägen. Er selbst war aktiv an revolutionären Bewegungen in seiner Heimat Hessen beteiligt. Zusammen mit dem Butzbacher Rektor Weidig hatte er 1834 die politische Agitationsschrift "Der Hessische Landbote" ("Friede den Hütten! Krieg den Palästen!") herausgegeben. Die Urheber wurden verraten und Büchner drohte die Verhaftung. Die Möglichkeit, politische und soziale Veränderungen herbeizuführen, schien in weite Ferne gerückt, wenn nicht unmöglich geworden zu sein. Die Geschichte der Französischen Revolution wurde zur Fallstudie, um die Gegenwart zu begreifen.

An seine Braut Wilhelmine Jaegele schrieb er im März 1834 in seinem sogenannten "Fatalismusbrief": "Ich studiere die Geschichte der Revolution. Ich fühle mich wie zernichtet unter dem grässlichen Fatalismus der Geschichte.(...) Der Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich."

Auch das berühmte Zitat aus "Dantons Tod": "Was ist das, was in uns lügt, hurt, stiehlt und mordet", taucht bereits in diesem Brief auf.

Deshalb schrieb Büchner das Drama der französischen Revolution bewusst nicht über ihren Beginn und Aufbruch, sondern über ihr Scheitern und ihr Ende. Er zeigte Danton und seine Mit-Revolutionäre an einem Punkt, an dem sie sich nicht mehr als Gestalter, sondern nur noch als Werkzeuge der Geschichte empfinden können: "Wir haben nicht die Revolution gemacht, sondern die Revolution hat uns gemacht.".

An diesem Punkt setzt auch Regisseur Axel Vornams Arbeit an: Er zeigt die Revolutionäre als junge Menschen, die - wie Büchner bei seiner Arbeit an "Dantons Tod" vor der Frage stehen, ob der oder die Einzelne überhaupt noch die Chance hat, soziale und politische Veränderungen herbeizuführen. Was macht die Erfahrung des Scheiterns aus den Revolutionären, aus ihren Idealen und Utopien? Endet der radikale gesellschaftliche Wandel notwendig im Schrecken?

Ausstatter Tom Musch hat für die Inszenierung ein "sprechendes" Bühnenbild entwickelt, das in seiner Unbehaustheit symbolisch für einen Transitraum der Geschichte steht - einen Raum, in dem weder das Alte schon entsorgt, noch das Neue schon eingerichtet ist, in dem der Wille zur Veränderung im Sumpf stecken bleibt. Selbst die Dantonisten, die sich als Gruppierung und als Kontrahenten zu den Jakobinern verstehen, kommen in diesem Raum kaum zusammen; sie sind getrennt von Stangen, Treppen und Geländern, isoliert in Einzelräumen. "Wir strecken die Hände nacheinander aus, aber es ist vergebliche Mühe," erkennt Danton gleich zu Beginn des Stücke, "wir sind sehr einsam".
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