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Trendwachstum - ein Update

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
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- Die US-Wirtschaft dürfte auch in den kommenden zehn Jahren im Schnitt nur verhalten wachsen. Jenseits der andauernden zyklischen Erholung hat sich der Wachstumstrend abgeschwächt. Wir schätzen das langfristige Potenzial für die USA unverändert auf knapp 2 %. 
- Sowohl der zukünftige Produktivitätstrend (Stichwort Innovationsschwäche) als auch die Entwicklung des Arbeitskräfteangebots sind umstritten. Trotz des klaren demografischen Ausblicks bleibt die Unsicherheit recht hoch.
- Mit einem Trendwachstum von etwa 2 % liegen die USA im Vergleich der Industrieländer aber insgesamt gar nicht so schlecht. Es ist zudem zu hoch, als dass ein realer Leitzins an oder sogar unter der Nulllinie auf mittlere Sicht tragfähig wäre.


Im Januar 2010 hatten wir in einem "USA Aktuell" eine Analyse zum Thema Trendwachstum in den USA und den Folgen für die Finanzmärkte präsentiert. Wir haben damals unsere Schätzung für das Wachstumspotenzial in den folgenden Jahren auf 2 % herabgesetzt. Dies war zu diesem Zeitpunkt eine recht pessimistische Einschätzung. Der Konsens der Ökonomen und auch die Einschätzung der großen Institutionen wie IWF, OECD, Federal Reserve oder Congressional Budget Office (CBO) lagen alle höher, zum Teil deutlich. Die Entwicklung der vergangenen vier Jahre hat unsere Einschätzung jedoch voll bestätigt. Viele andere Prognostiker haben sich in unsere Richtung bewegt oder sind inzwischen ganz auf unsere Linie eingeschwenkt - zuletzt auch der IWF. Mitte Juni sagte IWF-Chefin Christine Lagarde bei der Vorstellung der neuesten Analyse zur US-Wirtschaft, dass der Fonds seine Trendschätzung nun auf 2 % gesenkt hat.

Dennoch stellt sich die Frage, ob unsere damals getroffenen Annahmen noch Bestand haben oder ob es vielleicht Korrekturbedarf gibt. In dieser Publikation überprüfen wir entsprechend unsere damalige Analyse und bringen sie auf den neuesten Stand.

Wo liegt das Trendwachstum?

Auch 2014 spukt in vielen Köpfen noch eine überholte Vorstellung herum von dem, was in den USA als Wachstum "normal" ist. Sie orientiert sich an veralteten Rahmenbedingungen und ist von der Zeit der "New Economy" beeinflusst. Explizit oder implizit setzen viele Beobachter das normale Wachstum in den USA mit 3 % oder nur wenig niedriger an. Dies erklärt unter anderem die stets zu optimistischen Prognosen der FOMC-Mitglieder in den vergangenen Jahren ebenso wie übertriebene Deflationssorgen von mancher Seite. Es relativiert zudem die Enttäuschung über die Performance der US-Wirtschaft im aktuellen Zyklus. Erstens ist die tatsächlich beobachtete konjunkturelle Entwicklung umso positiver einzuschätzen, der Unterauslastungsgrad umso geringer, je niedriger das Trendwachstum ist. Zweitens wirkt ein gegebener Leitzins umso expansiver je weiter er unter seinem "neutralen Niveau" liegt. Da dieses vom Potenzialwachstum[1] abhängt, bedeutet ein flacherer Wachstumstrend auch, dass die Anschubwirkung der Geldpolitik nicht so groß ist wie von manchen in den letzten Jahren angenommen.

Leider lässt sich das Potenzialwachstum einer Wirtschaft nicht einfach irgendwo ablesen. Welche Methode am sinnvollsten ist, das Niveau des potenziellen Output und seine Veränderung zu bestimmen, ist umstritten (siehe hierzu den Kasten, S. 4). Der einfachste Ansatz, einen Trend zu ermitteln, ist einen Durchschnitt der historischen Werte des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu berechnen. Per Definition bildet ein solcher Durchschnitt den Trend ab. Die Abweichungen der Istwerte vom Trend sind dann in erster Linie als konjunkturelle Schwankungen zu interpretieren[2].

Im abgelaufenen Zyklus (von November 2001 bis Mitte 2009) ist die US-Wirtschaft im Schnitt um 1,6 % pro Jahr gewachsen. Dies war deutlich niedriger als im vorherigen Zyklus von 1991 bis 2001 (3,5 %). Hinzu kommt noch, dass dieser Durchschnittswert nur in einem Umfeld sehr expansiver Wirtschaftspolitik realisiert werden konnte. Im Schnitt dieser Jahre haben Geld- und Finanzpolitik das Wachstum deutlich gestützt. Der Anstieg des realen BIP um weniger als 2 % pro Jahr müsste also eigentlich noch um die über den Zyklus hinweg ungewöhnlich expansiven Impulse der Wirtschaftspolitik bereinigt werden, um den "echten" Trend zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund war das Wachstum bereits im letzten Zyklus ziemlich enttäuschend, selbst wenn man berücksichtigt, dass mit der "Great Recession" (2007-2009) eine Phase eingeschlossen ist, die natürlich die Durchschnittswerte für das Wachstum massiv drückt. Im aktuellen (unvollständigen) Zyklus liegt das durchschnittliche Wachstum bisher bei gut 2 %. Was aber bedeutet das für die Zukunft? Die Erfahrung zeigt, dass es riskant sein kann, einfach die Entwicklung der Vergangenheit zu extrapolieren, um den zukünftigen Wachstumstrend zu ermitteln. In den 1960er/1970er Jahren überschätzte die Fed das Potenzialwachstum - und verlor in der Folge die Kontrolle über die Inflation.

Es ist daher besser, einen zentrierten Mittelwert zu verwenden (z.B. in der Form eines so genannten Hodrick-Prescott- oder HP-Filters). Dies ist für die Vergangenheit einfach. Am aktuellen Rand besteht aber ein entscheidendes Problem: Welche Werte stellt man dem Algorithmus für die Jahre zur Verfügung, die noch in der Zukunft liegen? Für unsere aktuellen Trendschätzungen haben wir für die kommenden zwei Jahre unsere Wachstumsprognosen (2014: 2 %, 2015: 3 %) verwendet. Für die jenseits dieses Horizonts liegenden Jahre sind "Gleichgewichtsannahmen" sinnvoll, d.h. man versucht für die fernere Zukunft nicht die präzise zyklische Lage zu erraten, sondern unterstellt eine "normale" Entwicklung. Diese zu ermitteln ist ja aber gerade das Ziel.

Glücklicherweise lässt sich das Potenzialwachstum grundsätzlich in zwei Komponenten spalten: den Trend der Arbeitsproduktivität (Output pro geleisteter Arbeitsstunde) und den Trend der in der Wirtschaft geleisteten Arbeitsstunden. Es erleichtert die Prognose, wenn man diese beiden Bestandteile separat analysiert.

Erster Faktor: Die Arbeitsproduktivität

Das Thema Arbeitsproduktivität bleibt ein Dauerbrenner in der ökonomischen Diskussion. Nach dem Boom in der Phase der "New Economy" machte sich in den Jahren vor der Finanzkrise eher Skepsis breit, was den Produktivitätstrend angeht. Für den Zyklus 2001-2009 weisen die Statistiker für die gewerbliche Wirtschaft ohne den Agrarsektor derzeit einen durchschnittlichen Anstieg von 2,2 % aus. Diese Größe steigt wegen des vergleichsweise verhaltenen Produktivitätszuwachses im öffentlichen Sektor tendenziell immer noch etwas stärker als die gesamtwirtschaftliche Produktivität. Einschließlich der Beschäftigten im Staatsdienst ist der Trend daher rund ¼ Prozentpunkt niedriger.

Seit Mitte 2009 betrug der durchschnittliche Anstieg der Arbeitsproduktivität in der gewerblichen Wirtschaft nur gut 1 % pro Jahr. Es ist allerdings umstritten, in welchem Umfang dieser Schwungverlust temporären, zum Teil konjunkturellen (prozyklischen) Faktoren geschuldet ist, und inwieweit es sich um dauerhafte Trends handelt. Insbesondere die Trennschärfe zwischen den Zyklen im Jahr 2009 ist entscheidend - welchem Zyklus ist nun der Sprung in der "Entlassungsproduktivität" 2009/2010 zuzurechnen? Pessimismus hinsichtlich des Produktivitätstrends wird ökonomisch vor allem durch zwei Argumente begründet: Einmal reflektiert er Skepsis über die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts, des Haupttreibers der Produktivitätswachstums. Unvorteilhafte Vergleiche zwischen Internet-Technologie einerseits und der Elektrifizierung oder dem Verbrennungsmotor sind gang und gäbe. Die These der "secular stagnation" des ehemaligen US-Finanzminister Larry Summers beruht unter anderem auch auf Pessimismus hinsichtlich des technologischen Fortschritts in den nächsten Jahren[3].

Zweitens gibt die gedämpfte Investitionsnachfrage der Unternehmen Anlass zur Sorge[4]. Gemessen an der Investitionsquote (Anteil der Ausgaben für Ausrüstungen am Bruttoinlandsprodukt) halten sich die Unternehmen derzeit - zumindest im Inland - wirklich spürbar zurück. Eine Analyse des Kapitalstocks ergibt das gleiche Bild. Dessen Veränderung spiegelt nicht nur die Bruttoinvestitionen, sondern auch den Verschleiß wider. Preisbereinigt stieg der private Kapitalstock im ganzen vergangenen Zyklus nur verhalten. In der Krise fiel er sogar kurzfristig. Von der Situation in der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren, als der Kapitalstock über mehrere Jahre merklich schrumpfte, sind wir zwar weit entfernt. Dennoch ist die Ausstattung der Beschäftigten mit Kapital eine der wichtigsten Einflussgrößen für die Arbeitsproduktivität. Defizite in dieser Hinsicht könnten sich daher als Hypothek für das Produktivitätswachstum in den kommenden Jahren erweisen.

Ein Durchschnittswert von 2,2 % (oder knapp 2 % gesamtwirtschaftlich) für den letzten Zyklus deutet darauf hin, dass der Trend zuletzt eher in diesem Bereich gelegen haben dürfte. Die Zuwächse im laufenden Zyklus sind - wie gesagt - angesichts der andauernden Nachwirkungen der Finanzkrise und der schweren Rezession vorsichtig zu interpretieren. Vor dem Hintergrund der recht schwachen Investitionstätigkeit der Unternehmen ist für die Zukunft aber wohl ein gewisser Abschlag angemessen. So dürfte die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität in den kommenden Jahren im Schnitt um etwa 1,5 % pro Jahr zulegen.

Potenzieller Output - das unbekannte Wesen

Der beste Weg, den potenziellen Output zu berechnen, ist sowohl theoretisch wie technisch umstritten. Grundsätzliche Differenzen ergeben sich bereits hinsichtlich des zentralen Punktes - des Zeitbezugs. Die Wahl eines zu kurzfristigen Konzepts kann zu unplausibel heftigen (und letztlich zyklischen) Schwankungen führen. Wählt man eine zu langfristige Methode, so trägt der Ansatz möglichen Änderungen in den Rahmenbedingungen, wie sie in der Realität relativ häufig auftreten können, nicht ausreichend Rechnung. Damit bewegt sich die berechnete Größe in Richtung eines "potenziellen Potenzials", das nur dann gelten würde, wenn sich alle bestehenden Ungleichgewichte und Strukturprobleme plötzlich in Luft auflösen würden. Dies ist aber für die praktische Analyse in der Regel ungeeignet und eher von akademischem Interesse.

Vorstellbar wäre z.B., auf der Basis der zur Verfügung stehenden Produktionsmittel (Arbeit und Kapital) den potenziellen Output für jedes Quartal einzeln zu bestimmen. In diesem Fall können aber kurzfristige Schocks - Naturkatastrophen, Finanzmarktkrisen, Terroranschläge - zu kräftigen Schwingungen beim Potenzialwachstum führen. Dies würde der Idee eines primär durch langfristige Faktoren bestimmten Gleichgewichtswerts widersprechen.

Hingegen sind aber auch Potenzialschätzungen äußerst suspekt, aus denen sich ergibt, dass die Wirtschaft über fünf oder gar zehn Jahre hinweg ständig unter oder über Potenzial wächst. Solche Ergebnisse können zustande kommen, wenn man ganz langfristige Durchschnitte berechnet, die auf Strukturveränderungen nur stark verzögert reagieren. Einzelne Ereignisse oder Trends - höhere Ersparnis der privaten Haushalte, Konsolidierung des öffentlichen Haushalts - bei der Potenzialschätzung zu berücksichtigen, ist ebenfalls schwierig. Denn dafür muss die Wirkung nicht nur quantifiziert, sondern auch eindeutig der Produktions-/Angebots- oder Nachfrageseite zugeordnet werden. Hat die Finanzmarktkrise "nur" einen negativen Effekt auf die Nachfrage oder senkt sie in gewissem Umfang auch die in der Wirtschaft mögliche Produktion? Welcher Effekt dominiert kurz-, welcher langfristig?

In der akademischen Literatur wird zudem unter "potential output" meist ein weitgehend theoretisches Konzept verstanden, das eher als Benchmark denn als realitätsbezogene Größe dient: das Aktivitätsniveau, das realisiert werden könnte, wenn alle Preise vollständig flexibel wären und sich die Wirtschaft im Gleichgewicht befände.

Zweiter Faktor: Arbeitsangebot

Verglichen mit dem eher esoterischen Konzept "Produktivitätstrend" scheint die trendmäßige Veränderung der Arbeitsstunden auf den ersten Blick leicht zu prognostizieren. Schließlich ist die künftige Bevölkerungsentwicklung ein gradueller Prozess, der schon weitgehend durch die demografische Lage heute festgelegt ist. Das potenzielle Arbeitsvolumen in der Wirtschaft hängt aber von einer Reihe von Faktoren ab:

- der Bevölkerungszahl (Geburtenrate, Sterberate, Nettozuwanderung)
- dem Erwerbspersonenpotenzial (Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter)
- der Partizipationsrate (Anteil der Erwerbspersonen am Erwerbspersonenpotenzial)
- der Erwerbsquote (Anteil der Erwerbstätigen an den Erwerbspersonen)
- der Zahl der geleisteten Stunden pro Erwerbstätigem.

In seiner aktuellen Projektion für die Bevölkerung geht das Census Bureau für die kommenden zehn Jahre von einem Zuwachs von etwa 0,8 % pro Jahr aus (2000-2013: +0,9 % pro Jahr). Das Erwerbspersonenpotenzial wird jedoch etwas weniger zulegen, denn die geburtenstarken Jahrgänge ab 1945 ("Baby Boomers") erreichen in den kommenden Jahren das Mindestalter für die staatliche Rente. Selbst wenn relativ viele der Baby Boomers aus unterschiedlichen Gründen länger arbeiten werden - ob aus eigenem Antrieb oder finanziellem Zwang - wird dies dennoch zu erhöhten "Abflüssen" aus dem Erwerbspersonenpotenzial führen.

Dieser demografische Trend wird auch die Partizipationsrate beeinflussen. Sie ist eine Schlüsselgröße und besonders schwierig zu prognostizieren. So gibt es langfristige Trends bei den Partizipationsraten von Männern und Frauen oder bestimmten Altersgruppen, zyklische Schwankungen und demografische Einflüsse (mehr Personen in Alterskohorten mit niedriger/hoher Partizipationsrate)[5]. Die Bedeutung demografischer und struktureller Faktoren für die aktuelle Entwicklung ist inzwischen von zahlreichen Studien belegt. Selbst Fed-Chefin Janet Yellen, die lange Zeit eine der Hauptverfechterinnen der "Das ist hauptsächlich zyklisch"-These war, musste inzwischen einlenken. Während sich die Partizipationsrate im Abwärtstrend befindet, der sich wohl auch in den kommenden zehn Jahren fortsetzen dürfte, weicht der Istwert am aktuellen Rand aber recht merklich vom Trendwert ab. Diese Differenz dürfte sich bei einer weiteren Verbesserung der Arbeitsmarktlage auflösen - im bestimmten Umfang gibt es die "discouraged workers" wirklich. Wenn man diese bevorstehende Korrektur Richtung Trend berücksichtigt, flacht der Trend der effektiven Partizipationsrate in den kommenden Jahren etwas ab, d.h. er wird weniger negativ. Auf Sicht der nächsten fünf Jahre dürfte er das Arbeitsangebot dennoch spürbar dämpfen (-0,2 % pro Jahr).

Die Erwerbsquote ist die Inverse der Arbeitslosenquote. Wo liegt also auf mittlere bis lange Sicht die gleichgewichtige Arbeitslosenquote? Das CBO schätzt sie aktuell auf knapp 6 %, die FOMCMitglieder auf 5,4 %. Da es sich um eine Größe handelt, die sich nur sehr langsam ändert, sind kurzfristige dramatische Schwankungen unwahrscheinlich. Allerdings dürfte die schwere Rezession 2007-2009 zu einem Anstieg geführt haben: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die schwieriger wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren sind, steigt; freigesetzte Arbeitskräfte im Bau, in der Immobilienfinanzierung oder generell im Finanzbereich sind möglicherweise nicht ohne weiteres in Wachstumssektoren unterzubringen. Bereits ein Anstieg der gleichgewichtigen Arbeitslosenquote um einige Zehntel Prozentpunkte wirkt entsprechend dämpfend auf das Arbeitsangebot, denn von den Jahr für Jahr auf den Arbeitsmarkt drängenden zusätzlichen Personen würden mehr in der Arbeitslosigkeit statt in einem Job landen. Der dämpfende Effekt in der Größenordnung von einigen Zehntel Prozentpunkten liegt allerdings bereits in der Vergangenheit. Nach vorne gerichtet dürfte dieser Faktor entweder neutral oder sogar marginal positiv wirken, wenn sich die USWirtschaft von dem Schock "erholt hat". Das CBO rechnet für die nächsten fünf Jahre mit einem Rückgang der "gleichgewichtigen" Arbeitslosenquote um 0,5 Prozentpunkt.

Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in der Privatwirtschaft war lange im Trend rückläufig. Von 1980 bis 2009 fiel die Arbeitszeit im Schnitt um rund fünf Minuten pro Jahr. Dahinter steht neben einer kürzeren Wochenarbeitszeit bei Vollzeitstellen auch die zunehmende Bedeutung von Teilzeit. Seitdem scheint der Rückgang aber in eine Seitwärtsbewegung übergegangen zu sein. Setzt sich dieser Trend fort, so wäre die Wochenarbeitszeit ein neutraler Faktor.

Per Saldo dürfte damit das Arbeitsangebot in den kommenden Jahren nur leicht zunehmen, vielleicht um maximal 0,5 % pro Jahr. Zusammen mit einem Anstieg der Produktivität von etwa 1,5 % ergibt sich ein langfristiger Wachstumstrend von knapp 2 %. Mit dieser Rate lässt sich dann eine Zeitreihe fortschreiben, auf deren Basis mit Hilfe eines HP-Filters aktuelle Werte für das potenzielle BIP und damit für das potenzielle Wachstum berechnet werden können - das Ergebnis zeigt das folgende Schaubild. Der Wert für 2014 liegt bei 1,9 %.

Trotz gesenkter Erwartungen noch immer Enttäuschungspotenzial

Ein so schwacher Wachstumstrend birgt ein gewisses negatives Überraschungspotenzial. Zwar sind die Wachstumserwartungen in den vergangenen fünf Jahren vielfach zusammengeschmolzen und in Europa ist es noch immer en vogue, für die US-Wirtschaft pessimistisch zu sein. Amerikanische Regierung, Notenbank und Kongress gehen jedoch weiterhin von Wachstumsraten aus, die zum Teil merklich oberhalb von 2 % liegen. Auch der Konsens der privaten Prognostiker sieht das durchschnittliche Wachstum in den kommenden zehn Jahren eher bei 2½ % als bei 2 %.

Was sind die konkreten Folgen eines niedrigen Trendwachstums?

Welche Auswirkungen hat ein solcher flacher Wachstumstrend? Zunächst steigt damit der Lebensstandard der Amerikaner langsamer. Der Umverteilungsspielraum für die Politik ist geringer, da Zuwächse stets leichter zu verteilen sind, wenn niemandem "etwas weggenommen wird". Dies spielt vor allem im Rentensystem eine Rolle, wo den Forderungen der Rentenempfänger ein geringeres Einkommen der Einzahler gegenüber stehen würde. Kritischer ist aber, dass ein flacher Wachstumstrend die Tragfähigkeit von Schulden, egal ob privat oder öffentlich, unterminieren kann. So steigen die Einkommen weniger. Schuldner, die höhere Einkommenszuwächse erwartet hatten, könnten Probleme bekommen, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen. Ein "Herauswachsen aus der Schuldenfalle" wird dann schwierig oder sogar unmöglich. Ein langsamer wachsendes Land kann sich nur kleinere Haushaltsdefizite leisten.

Die Inflation wird hingegen - sofern die Geldpolitiker den niedrigeren Wachstumstrend erkennen - nur indirekt tangiert. Auf längere Sicht spielt es für das Preisklima keine große Rolle, ob eine Wirtschaft im Trend mit 2 % oder 3 % wächst. Entscheidend ist, ob die Nachfrage nachhaltig schneller steigt als das Produktionspotenzial, es also zu Kapazitätsengpässen kommt, die den Unternehmen Spielraum für Preiserhöhungen geben. Dieses Risiko ist dann am größten, wenn sich der Wachstumstrend gerade nach unten verschiebt. Die gesamtwirtschaftliche Auslastung kann dann nämlich größer sein als geglaubt, die so genannte Produktionslücke (Output Gap) kleiner. Nach der Finanzkrise liefen manche Ökonomen mit Mondzahlen für die Produktionslücke herum, die massiven Abwärtsdruck auf die Teuerung impliziert hätten. Stattdessen waren der Output Gap und damit das Deflationsrisiko viel kleiner als vielfach gedacht.

Für die Geldpolitik spielt das Potenzialwachstum eine zentrale Rolle. Erstens verfolgt die Fed das Ziel, die Beschäftigung nachhaltig zu maximieren, also den tatsächlichen Output so nahe wie möglich am Potenzial zu halten. Zweitens ist der Auslastungsgrad der Wirtschaft ein, wenn nicht der entscheidende, Einflussfaktor für die (Kern-)Inflationsprognosen.

Ein rückläufiges Potenzialwachstum stellt daher eine besondere Herausforderung dar: Zwar ist bei gegebener Nachfrageentwicklung der Auslastungsgrad und damit das Inflationsrisiko größer. Gleichzeitig ist ein gegebener Leitzins aber restriktiver, denn das neutrale Zinsniveau ist nun niedriger.

Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden.

[1] Siehe USA Aktuell "Wo liegt der 'neutrale Zins'?" vom 18. Juni 2014.
[2] Allerdings setzt dies im Idealfall voraus, dass der Stützzeitraum immer einen kompletten Konjunkturzyklus umfasst, was häufig nicht der Fall sein wird, denn die Länge der einzelnen Zyklen unterscheidet sich zum Teil erheblich.
[3] Ein anderes Beispiel für diese Art von Pessimismus ist Robert Gordons Studie "Is US economic growth over? Faltering innovation confronts the six headwinds. CEPR Policy Insight No. 63, September 2012.
[4] Siehe auch USA Aktuell "Investitionen - Land der begrenzten Möglichkeiten?" vom 2. Juni 2014.
[5] Siehe zur Partizipationsrate auch unser USA aktuell "Niedrigere Arbeitslosenquote - frühere Fed-Wende" vom Mai 2013.

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