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Neue Studie von Gesundheitsökonomen

Gesundheitsfonds: Zusatzbeiträge belasten kleine Einkommen und Kassen mit vielen Niedrigverdienern

(lifePR) (Düsseldorf, )
Ein einkommensunabhängiger Zusatzbeitrag, wie ihn Krankenkassen nach der Einführung des Gesundheitsfonds erheben können, belastet Versicherte mit geringerem Einkommen deutlich stärker als Versicherte mit höherem Verdienst. Die vorgesehene Überforderungsklausel, die den Pauschalbeitrag auf maximal ein Prozent vom beitragspflichtigen Bruttoeinkommen jedes Versicherten begrenzt, kann diese Ungleichheit abmildern. Verhindern kann sie sie nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung der Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Jürgen Wasem, Prof. Dr. Stefan Greß, Anke Walendzik und Maral Manouguian.

Zudem habe die "Vermeidung eines übergroßen Verlustes an Verteilungsgerechtigkeit" ihren Preis, schreiben die Forscher von der Universität Duisburg-Essen und der Hochschule Fulda: "Die Überforderungsklausel verursacht einen vergleichsweise hohen bürokratischen Aufwand". Als noch gravierender stufen sie eine "erhebliche Wettbewerbsverzerrung zwischen Krankenkassen mit einem unterschiedlich hohen Anteil an einkommensschwachen Mitgliedern" ein. Diese Verzerrung könnte aber vermieden werden, wenn die Einnahmeausfälle durch die Überforderungsklausel anders als geplant kompensiert würden, regen die Ökonomen an: Die Gegenfinanzierung sollte aus dem Gesundheitsfonds erfolgen und nicht auf den Zusatzbeitrag aufgeschlagen werden, den die besser verdienenden Mitglieder derselben Kasse zahlen.

Im Gesundheitsreformgesetz der Großen Koalition ist vorgesehen, dass der einheitliche Beitragssatz zum Gesundheitsfonds, der in diesem Herbst festgesetzt werden soll, zunächst bei allen Kassen die durchschnittlichen Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten komplett deckt. Der Beitragssatz darf erst wieder erhöht werden, wenn bei den Krankenkassen eine durchschnittliche finanzielle "Deckungslücke" von mehr als fünf Prozent entsteht. Bis zu dieser Grenze soll eine Kasse Zusatzausgaben finanzieren, die beispielsweise durch Preissteigerungen für Medikamente oder medizische Leistungen entstehen, indem sie bei ihren Versicherten Zusatzbeiträge erhebt.

Das Team um Wasem und Greß hat berechnet, wie sich Zusatzbeiträge in unterschiedlicher Höhe bei den Versicherten auswirken. Auf der Basis von Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) ordneten die Forscher dazu die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung je nach Einkommen zehn gleich großen Gruppen zu, so genannten Dezilen. Neben Berufstätigen erfasst die Statistik auch Arbeitslose und Studenten. Die Angehörigen des Dezils mit dem höchsten beitragspflichtigen Einkommen liegen mit durchschnittlich 3555 Euro im Monat an der Beitragsbemessungsgrenze. Die Angehörigen des Dezils mit dem geringsten Einkommen erzielen dagegen im Mittel 572 Euro monatlich.

Es zeigen sich zwei Trends: Versicherte mit geringerem Einkommen werden prozentual deutlich stärker belastet als solche mit höheren Bezügen. Und: Je mehr Geld eine Kasse über den Zusatzbeitrag einziehen muss, desto schneller wächst die Zahl der Versicherten, die unter die Überforderungsklausel fallen. Folge: Die übrigen Versicherten zahlen mehr, um diese Ausfälle auszugleichen.

Zwei Beispiele: Müsste eine statistische Durchschnittskasse 3,5 Prozent ihrer Einnahmelücke über Zusatzbeiträge decken, hätte jeder Versicherte 8,58 Euro zusätzlich im Monat zu zahlen. Im obersten Einkommensdezil entspricht das einer Zusatzbelastung von 0,24 Prozent vom beitragspflichtigen Einkommen. Dagegen wäre in den beiden untersten Zehnteln die Überforderungsgrenze von einem Prozent bereits erreicht.

Bei einem Zusatzbeitrag, der fünf Prozent der Finanzlücke decken müsste, würde sogar schon für rund die Hälfte der Versicherten die Ein-Prozent-Schutzgrenze greifen. Die am besten verdienenden Versicherten müssten 0,39 Prozent ihres beitragspflichtigen Einkommens an die Kasse überweisen. Absolut läge der Zusatzbeitrag in diesem Fall bei rund 14 Euro. Zwei Euro davon sind nötig, um die Ausfälle durch die Überforderungsklausel auszugleichen. Frauen und Pflichtversicherte werden wegen ihres unterdurchschnittlich hohen Einkommens durch den Zusatzbeitrag insgesamt stärker belastet als Männer und freiwillig versicherte Personen, schreiben die Wissenschaftler.

Noch ungleicher fiele die Belastungswirkung aus, wenn als Ausgleich für den einkommensunabhängigen Zusatzbeitrag der einkommensabhängige Beitragssatz gesenkt würde. Bei einem Finanzierungsanteil von fünf Prozent würden in diesem Szenario die drei am besten verdienenden Einkommensdezile finanziell entlastet - im Vergleich zum vorher fälligen Beitrag maximal um etwa 2,2 Prozent. Die Versicherten in den fünf unteren Dezilen müssten hingegen im Schnitt 2,3 Prozent mehr zahlen als bisher.

In diesem Zusammenhang weisen die Gesundheitsökonomen auf ein zentrales Problem der Überforderungsklausel hin: "Die derzeit vorgesehene Variante der Überforderungsklausel bürdet die Kosten des Einkommensausgleichs ausschließlich den Versicherten der jeweiligen Krankenkasse auf", weil besser verdienende Mitglieder dieser Kasse die Zusatzbeiträge von finanziell überforderten Versicherten teilweise mit übernehmen müssen. So gerieten Kassen mit vielen geringer verdienenden Mitgliedern von vornherein ins Hintertreffen, warnen die Forscher: Durch höhere Zusatzbeiträge müssten sie ihre finanziell stärkeren Mitglieder verprellen. Die Wissenschaftler empfehlen daher, den Kassen die durch die Überforderungsklausel verursachten Einnahmeausfälle aus dem kassenübergreifenden Gesundheitsfonds zu erstatten. Dann würden sie über die einkommensabhängige Beitragskomponente auf alle Versicherten umgelegt. Wettbewerbsverzerrungen könnten auf diese Art und Weise vermieden werden.
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