Beim Datenschutz-Verstoß kein Schadensersatz ohne Schaden
Unternehmen, Behörden und Arbeitgeber sammeln Daten von Verbrauchern, verarbeiten sie, nutzen sie für ihre Zwecke und verdienen damit oft auch Geld. Allerdings wird mit den personenbezogenen Daten manchmal leichtfertig umgegangen, so dass es zu Verstößen gegen datenschutzrechtliche Normen kommt. Doch wie ist die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auszulegen? Wann ist ein immaterieller Schaden entstanden? Zwar urteilen die meisten deutschen Gerichte derzeit sehr großzügig und sprechen oft hohe Schadensersatzsummen den klagenden Verbrauchern zu. Trotzdem herrscht eine gewisse Rechtsunsicherheit. Am Europäischen Gerichtshof (EuGH) sind mehrere Vorabentscheidungsverfahren anhängig. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer stellt die wichtigsten Äußerungen des aktuellen Verfahrens vor:
- Im vorliegenden Verfahren aus Österreich hatte eine Adresshändlerin ohne eine Einwilligung Daten von Umfrageinstituten und Wahlstatistiken verknüpft, um zu Personen in ihrer Kartei die Information zu speichern, an welcher Parteiwerbung die Person interessiert sein könnte. Der klagende Verbraucher, dessen prognostizierte Parteiaffinität bisher nicht gegenüber Dritten offengelegt wurde, war verärgert über den Vorgang und die ihm zugeordnete Parteiaffinität. Er klagte auf Schadensersatz. Der oberste Gerichtshof in Österreich will vom EuGH wissen, ob der vorgetragene Ärger ein immaterieller Schadensersatzanspruch darstellt, ob die reine Pflichtverletzung bereits für einen Schadensersatz genügt, ob der entstandene Schaden nachgewiesen werden muss und ob mit dem Ärger bereits die Erheblichkeitsschwelle überschritten ist.
- Am 6. Oktober 2022 hat sich der Generalanwalt Campos Sánches-Bordona in dem Verfahren dahingehend geäußert, dass der reine „Ärger“ über einen Datenschutz-Verstoß nicht zwangsläufig zu Schadensersatz führen muss.
- Auch zieht die reine Pflichtverletzung nicht automatisch einen Schadensersatz nach sich.
- Bei negativen Gefühlslagen sei es Aufgabe des Gerichts, zwischen schwachen und vorübergehenden Emotionen und Gefühlen auf der einen Seite (nicht ersatzfähig) und stärkeren negativen Beeinträchtigungen auf der anderen Seite (ersatzfähig) zu unterscheiden.
- Sollte es Klägern gelingen, etwa spürbare anhaltende negative Gefühle oder negative Konsequenzen aufgrund der Pflichtverletzung nachzuweisen, könnten Gerichte weiterhin immateriellen Schadensersatz zusprechen.
- Der Anspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat nicht den Zweck, den Verursacher zu bestrafen, wie es im US-Recht üblich ist.
- Zusammengefasst lässt sich sagen, ohne Schaden gibt es keinen Schadensersatz. In der Regel wird mit dem Urteil in sechs Monaten gerechnet.