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BGH entscheidet mit Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, zur Verjährung im Abgasskandal: Nichts als ein Pyrrhussieg für VW

Geschädigte sollten ihre Ansprüche weiterhin konsequent durchsetzen

(lifePR) (Nürnberg, )
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, wird in der Öffentlichkeit nahezu durchwegs als Erfolg für die Volkswagen AG im Zusammenhang mit manipulierten EA189-Dieselmotoren dargestellt. Viele Betroffene meinen daher, dass ihre Schadensersatzansprüche bereits Ende 2018 verjährt gewesen sind. Dies ist jedoch ein Irrglaube! „Bei genauerer Betrachtung des Urteils ist es in fast allen Fällen gerade nicht zu spät, sodass Geschädigte ihre Ansprüche auch weiterhin mit aller Konsequenz durchsetzen sollten“, empfehlen Dr. Marcus Hoffmann und Mirko Göpfert, Partner der im Verbraucherschutzrecht tätigen Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte aus Nürnberg.

Die Entscheidung des BGH zur Verjährungsfrage im Dieselskandal wurde mit großer Spannung erwartet. Dabei gab es für Betroffene des VW-Abgasskandals wahrlich keinen schlechteren Fall als den durch den Bundesgerichtshof entschiedenen. Denn der dortige Kläger erlangte unstreitig bereits im Jahr 2015 nicht nur allgemein von dem sogenannten Dieselskandal Kenntnis, sondern auch konkret davon, dass sein Fahrzeug hiervon betroffen war. Wie der vorangegangen Entscheidung des OLG Stuttgart zu entnehmen ist, erhob VW bereits in ihrer Klageerwiderung die Verjährungseinrede und machte umfangreiche Ausführungen zur positiven Kenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Tatsachen. In seiner Replik nahm der Kläger zur Frage der Verjährung keine Stellung. Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens bestritt er die Behauptungen der VW AG nicht.

Einzig und allein diesen unstreitigen Sachverhalt hatte der BGH in seinem Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, rechtlich zu bewerten. Hierbei handelt es sich jedoch um einen absoluten Sonderfall. „Aus welchen Gründen die Anwälte des dortigen Klägers den Vortrag von VW zu einer tatsächlich wohl gar nicht vorhandenen Kenntnis von „allen anspruchsbegründenden Umständen“ einfach so haben stehen lassen, erschließt sich mir nicht. Fakt ist jedenfalls, dass nahezu alle unserer Mandanten diesbezüglich im Jahr 2015 gerade noch keine Kenntnis hatten“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Hoffmann. Nach Auffassung der Nürnberger Rechtsanwälte hätte sich VW wegen der Öffentlichkeitswirkung für eine Entscheidung durch den BGH „keinen besseren Fall aussuchen“ können. Demgemäß wenig überraschend sei es gekommen, dass der BGH wegen der dreijährigen kenntnisabhängigen Verjährungsfrist eine Verjährung der Schadensersatzansprüche zum 31.12.2018 bestätigte.

In der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle war es der Volkswagen AG demgegenüber nicht gelungen, dem Käufer bereits im Jahr 2015 positive Kenntnis nachzuweisen. Dementsprechend nahmen viele Gerichte auch keine Verjährung an und verurteilten VW zu Schadensersatz. Hieran wird auch die Entscheidung des BGH rein gar nichts ändern. Beispielsweise in einer durch die Kanzlei Dr. Hoffmann und Partner Rechtsanwälte erstrittenen Entscheidung vom 03.11.2020, 42 O 157/20, stellte das LG Bamberg klar heraus, dass die Verjährungseinrede von VW ins Leere geht, obgleich die Klage erst im Jahr 2020 eingereicht worden war. „Mit einer Entscheidungsserie in durch uns vor dem LG Nürnberg-Fürth geführten Verfahren, mit den Az.: 9 O 5734/20, 9 O 5061/20 und 9 0 4008/20, folgte das Landgericht in seinen Urteilen vom 17.12.2020 unserer Argumentation ebenfalls und hielt die Verjährungseinrede von VW für nicht durchgreiflich“, erklärt Rechtsanwalt Göpfert.

Nachdem die Besonderheit, dass der Käufer nach den unbestrittenen Feststellungen positive Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hatte, nur einen verschwindend geringen Teil der Abgasfälle betrifft, hat die Entscheidung des BGH bei Licht betrachtet nur Einzelfallcharakter. Dass dieser gleichwohl in den Medien breit beachtete „Erfolg“ für VW „teuer erkauft“ worden ist, zeigt sich sodann am Ende der Entscheidung. Die dortigen Ausführungen tragen für VW eine ganz erhebliche Sprengkraft in sich.

Es geht um die Haftung gemäß § 852 BGB. Ob VW den Kaufpreis durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Klägers erlangt und damit gemäß § 852 S. 1 BGB herauszugeben habe, könne nach Auffassung des BGH dahinstehen. Denn eine solche Prüfung setze jedenfalls Vortrag des Klägers dazu voraus, dass und in welcher Höhe die Beklagte etwas aus dem Fahrzeugkauf erlangt hat. Diesbezüglicher Vortrag war in dem dortigen Verfahren nicht erfolgt.

„Diese Ausführungen sind ein Paukenschlag, weil der BGH meines Erachtens damit den Anwendungsbereich des § 852 BGB für grundsätzlich eröffnet hält. Nachdem in dem Verfahren leider keinerlei Vortrag zu den Voraussetzungen des § 852 BGB erfolgt ist, konnte sich der BGH mit der Haftung nach § 852 Satz 1 BGB jedoch nicht genauer auseinandersetzen“, meint Rechtsanwalt Dr. Hoffmann.

Selbst falls man wie in dem speziellen Sachverhalt der BGH-Entscheidung einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB als verjährt erachten wollte, hatte die Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte schon seit Langem darauf hingewiesen, dass die Haftung der Volkswagen AG doch jedenfalls aus § 852 Satz 1 BGB folgt. Wer sich durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten eines anderen bereichert, muss noch zehn Jahre lang den daraus gezogenen finanziellen Vorteil zurückzahlen. Dieser sogenannte Restschadensersatzanspruch verjährt damit erst in zehn Jahren ab dem Zeitpunkt des Kaufs.

Die oftmals übersehene bzw. in dem Verfahren vor dem BGH wohl deutlich zu spät erkannte Vorschrift des § 852 BGB dürfte dem VW-Konzern im Dieselskandal auch nach den entsprechenden Ausführungen des BGH noch einen ganz dicken Strich durch die Rechnung machen. „§ 852 BGB ist gerade in den VW-Abgasfällen prädestiniert. Denn es liegt auf der Hand, dass derjenige, der im Sinne der Entscheidung des BGH vom 25.05.2020 „vorsätzlich sittenwidrig schädigt“ sich keinerlei Hoffnungen darauf machen darf, dass er bereits nach Ablauf der dreijährigen Regelverjährungsfrist nicht mehr in Anspruch genommen wird“, erläutert Rechtsanwalt Göpfert.

Diese Auffassung teilen in zunehmendem Maße auch die Gerichte. Bereits das LG Magdeburg tendierte in seinem Urteil vom 25.06.2020, 10 O 1856/19, stark zu einer Anwendung des § 852 BGB, konnte diese Frage aber im Ergebnis offen lassen. In einem durch die Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte geführten Verfahren vor dem LG Kiel, Az.: 17 O 124/20, wies das Landgericht im Rahmen des Verhandlungstermins am 02.07.2020 auf den nicht verjährten Anspruch gemäß § 852 S. 1 BGB hin. Daraufhin ließ VW die Einrede der Verjährung fallen. Neben entsprechenden Hinweisen des LG Trier vom 08.10.2020, 5 O 173/20, und des LG Hildesheim vom 29.11.2020, 5 O 183/20, zur Anwendbarkeit des § 852 BGB in den sog. VW-Abgasfällen, verurteilte jüngst auch das LG Karlsruhe mit Urteil vom 04.12.2020, 4 O 195/20, die Volkswagen AG gemäß § 852 Satz 1 BGB.

Nach Einschätzung der Nürnberger Rechtsanwälte ist der Erfolg für VW vor dem BGH damit nichts anderes als ein Pyrrhussieg. Betroffene des VW-Dieselskandals, die bislang noch keine gerichtlichen Maßnahmen ergriffen haben, weiterhin nicht zögern sollten, ihre Ansprüche durchzusetzen. Gerade wenn Autobesitzer über eine Verkehrsrechtsschutzversicherung verfügen, die bereits vor dem Kauf abgeschlossen worden ist, besteht vielfach ohnehin so gut wie kein Kostenrisiko.

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Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft

Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte sind ausschließlich auf dem Gebiet des Bank-, Kapitalanlage- und Verbraucherschutzrechts tätig. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich gescheiterter Kapitalanlagen, des Widerrufs von Darlehensverträgen und des Verbraucherschutzrechts, aktuell insbesondere im Abgasskandal. Die fachspezifisch erfahrenen Anwälte vertreten ausnahmslos Anleger und Verbraucher gegenüber finanzierenden Banken, Initiatoren, Vertriebsbeauftragten sowie Wirtschaftsunternehmen. Sitz der Kanzlei ist Nürnberg. Weiterführende Informationen unter:

www.drhoffmann-partner.de

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