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Seit 490 Jahren wieder eine internationale Täuferkonferenz in Augsburg

Dekade "Renewal 2027" der Erinnerung und Erneuerung eröffnet

(lifePR) (Augsburg, )
Die Stadt Augsburg war in den Jahren der Reformation ab 1526 auch Zentrum der Täuferbewegung und damit ein Entstehungsort der heutigen Freikirchen. Im August 1527 trafen sich in der Fuggerstadt führende Vertreter der Täufer aus Süddeutschland, der Schweiz und Österreich. Sie tagten an wechselnden Orten, um der Verfolgung durch den Stadtrat zu entgehen. Die meisten Teilnehmer wurden jedoch auf der Heimreise gefangengenommen und hingerichtet. Dadurch erhielt das Treffen die Bezeichnung „Märtyrersynode“. Später vertrieb die Obrigkeit alle Täufer aus der Stadt. Die am 12. Februar in Augsburg eröffnete Dekade „Renewal 2027“ (Erneuerung 2027) ist eine auf zehn Jahre angelegte Veranstaltungsreihe der Mennonitischen Weltkonferenz (MWK). Sie will an die Anfänge der Täuferbewegung vor 500 Jahren erinnern und zugleich die weltweite „Geschwisterschaft“ der heutigen täuferisch-mennonitischen Gemeinden betonen.

Mennoniten damals und heute

Die großen Umwälzungen innerhalb der Kirche während des 16. Jahrhunderts brachten nicht nur die lutherische und reformierte Tradition hervor, sondern auch die wesentlich kleinere Täuferbewegung, erläuterte Alfred Neufeld, Vorsitzender der Kommission für Glauben und Leben der MWK und Leiter des Planungskomitees „Renewal 2027“. „Die Täufer waren nicht mehr römisch-katholisch, aber auch nicht ganz einverstanden mit den typischen Schwerpunkten der Reformatoren. Stattdessen teilten sie Aspekte beider Traditionen.“ Von Anfang an hätten sie aber auch zusätzliche Aspekte des christlichen Glaubens betont, die sie als tief in der Bibel verwurzelt sahen. Neufeld nannte die persönliche Verpflichtung zur Nachfolge Jesu, die Taufe von Erwachsenen auf das freie Bekenntnis des Glaubens, ein gemeinschaftlicher Ansatz in der Lektüre und Auslegung der Heiligen Schrift, eine Verpflichtung zur Versöhnung und Feindesliebe sowie die Ablehnung der Staatskirche.

Seit jener Zeit hätten sich die anstehenden Fragen und Begleiterscheinungen verändert. Deshalb stellten sich laut Neufeld verschiedene Fragen: Was bleibt? Was sollte überdacht und neu formuliert werden? Wo gibt es Lücken in der Theologie und im Handeln der Mennoniten? Wo ist die Tradition starr geworden? Wo haben sich Angewohnheiten eines falsch verstandenen Rückzugs aus der Welt eingeschlichen oder gar ein Hang zum Narzissmus? Diese Themen sollten in den kommenden zehn Jahren in weltweiter Gemeinschaft diskutiert und bearbeitet werden.

Dekade beginnt mit der Bibel

Zum Auftakt der Dekade befasste sich „Renewal 2027“ mit dem Thema „Verändert durch das Wort: Die Bibel lesen aus täuferischen Perspektiven“. Zu der öffentlichen Veranstaltung kamen am 12. Februar etwa 200 Teilnehmer in das Augsburger katholische Tagungshotel Haus Sankt Ulrich. Darunter waren rund 80 ausländische Vertreter der Mennonitischen Weltkonferenz. 500 Jahre nachdem Martin Luther mit seinem  Aufruf „sola scriptura“ (allein die Schrift) die Reformation angestoßen hat, wollte auch die MWK „sich auf die Suche danach machen, wie Täufer und Mennoniten in der ganzen Welt sich in der Vergangenheit mit der Bibel beschäftigt haben und wie die Bibel ihre Bedeutung bis heute behalten hat“, so Dr. Alfred Neufeld, der auch der Präsident der Protestantischen Universität Paraguays in Asunción und Dekan der dortigen Theologischen Fakultät ist.

Die Täufer deuteten die Bibel vielfältig und unterschiedlich

Hanspeter Jecker, Schweiz, Mitglied der MWK-Kommission für Glaube und Leben, und Astrid von Schlachter aus Deutschland vom Mennonitischen Geschichtsverein befassten sich mit den vielfältigen Deutungen der Heiligen Schrift unter den damaligen Täufern. Diese wollten als mündige Christen die Bibel lesen. Für sie schien es selbstverständlich, dass gerade einfache Leute durch das Wort Gottes angesprochen wurden, während kirchliche Würdenträger kein Interesse an der Bibel zu haben schienen. Es habe allerdings auch Täufer gegeben, die das Wort zum Schwert machen wollten. Im Frühjahr 1528 erwarteten sie die Wiederkunft Jesu in Erfurt. Sie meinten aus den prophetischen Büchern Daniel und Offenbarung der Bibel zu erkennen, dass die Endzeit unmittelbar bevorstehe. Sie seien bereit gewesen zur Errichtung des von ihnen erwarteten Reiches Christi der Gerechtigkeit auch zu den Waffen zu greifen. Die späteren Täufer hätten ihre Mühe gehabt sich von diesen Vorstellungen zu befreien. Die Täufer wollten auch mit alten Gewohnheiten brechen. Die neuen Erkenntnisse gewannen sie gemeinsam. Da alle zum Verständnis der Bibel beitragen konnten, kam es immer wieder zu Spaltungen, sodass die Einheit der Christen aus dem Blick geraten sei.

Es habe auch das Bestreben gegeben, Christus nachzufolgen indem man die Verfolger segne. Da damals viele Menschen Analphabeten waren, wurde die Predigt zur Belehrung wichtig und die Bibel trat in den Hintergrund, da man sie nicht lesen konnte. Das habe im Extremfall dazu geführt, dass die Bibel von manchen sogar, nach dem Motto „der Buchstabe tötet, Gottes Geist macht lebendig“, buchstäblich verbrannt worden sei. Die Täufer bemühten sich allerdings nicht nur zu lehren, sondern die Lehre auch mit dem Leben in Übereinstimmung zu bringen. Ein Teil der Täufer war davon überzeugt, dass die Bibel die Gütergemeinschaft der Christen lehre. Bibeltexte, die etwas anderes aussagten, hätte sie so lange interpretiert, bis sie zu ihrem Weltbild zu passen schienen. Dass die menschliche Erkenntnis „Stückwerk“ sei, so ein Bibelwort, habe andererseits zur Behauptung geführt, dass es bei dem bleiben solle, was einmal als richtig erkannt worden sei. Man solle sich hüten etwas Neues einzuführen.

Aber gerade weil kein Mensch alles weiß, gelte es nach wie vor die Bibel gemeinsam zu lesen, um sich gegenseitig auch korrigieren zu lassen, so Hanspeter Jecker und Astrid von Schlachta als Schlussfolgerung hinsichtlich der vielfältigen Deutung der Heiligen Schrift in der Vergangenheit der Täufer. Das wurde während der Tagung auch praktiziert, indem die Teilnehmer in kleinen Gruppen einen Bibeltext aus der Apostelgeschichte lasen und gemeinsam auslegten.

Junge Generation zur Mission und Zukunft ihrer Gemeinschaften

Der Präsident des Mennonitischen Weltkomitees, Nelson Kraybill, USA, stellte junge Erwachsene aus den Philippinen, Simbabwe, Paraguay, den Niederlanden und den USA vor, die in ihren täuferischen Gemeinschaften Verantwortung übernommen haben und als nachrückende Generation berichteten, was es für sie in ihren Ländern bedeute heute dem Missionsauftrag der Bibel nachzukommen und den Menschen von Jesus zu erzählen. In einer zweiten Runde sprachen andere junge Männer und Frauen aus Äthiopien, Guatemala, den USA, Spanien und den Philippinen darüber, vor welchen Herausforderungen ihre Gemeinden gegenwärtig stünden und wie ein Blick in die Zukunft aussehen könnte.

Die Bibel auch mit Christen anderer Konfessionen lesen

Dass man auch mit Christen anderer Konfessionen die Bibel lesen kann, wurde durch die eingeladenen Gäste anschaulich. Luis Augusto Castro Quiroga, Erzbischof von Tunja und Vorsitzender der römisch-katholischen Kolumbianischen Bischofskonferenz, sprach den Friedensprozess zwischen der Regierung und den Rebellengruppen FARC und ELN in seinem Land an. Die katholische Kirche begleite den Prozess. Castro würdigte ausdrücklich die Unterstützung durch den US-amerikanischen Friedensforscher und Professor für International Peacebuilding an der University of Notre Dame, Indiana, John Paul Lederach. Er ist Mennonit, der die Bischofskonferenz berate. „Die Guerilla muss lernen, für ihre Taten um Entschuldigung zu bitten und sich im Rahmen der Übergangsjustiz für sie verantworten“, sagte der Erzbischof. Das fordere die Gerechtigkeit. Doch es gehe neben dem äußeren Frieden auch um den inneren Frieden. Dieser sei jedoch nach der Bibel nur durch Barmherzigkeit und Vergebung möglich.

Pastor Bernd Densky, Baptist und Freikirchlicher Referent der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), betonte, dass die Baptisten sich als Bibelbewegung verstünden. Die Heilige Schrift sei für sie oberste Instanz für Glauben und Handeln. Der Heilige Geist helfe bei der Bibelauslegung zum Verständnis der Schrift. Um voneinander zu lernen und sich gegebenenfalls auch zu korrigieren wäre ein gemeinsames Lesen der Bibel notwendig. Es gelte aber auch, das was man als wegweisend erkannt habe, anderen mitzuteilen.

Heinrich Klassen, Vorsitzender des Bundes Taufgesinnter Gemeinden in Deutschland, wies darauf hin, dass in der ehemaligen Sowjetunion die Bibel ein kostbares Gut gewesen sei. Nur wenige hätten damals eine vollständige Bibel besessen. Umso mehr würde jetzt nach der Übersiedelung nach Deutschland die Bibel im Gottesdienst ausgelegt und in Gruppen studiert. Dabei gehe es auch um die Frage, welchen Auftrag die Gemeindemitglieder in der Bundesrepublik für die Gesellschaft hätten.

Friederike Nuessel, Professorin für Systematische Theologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und Mitglied der Kammer für Theologie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), verwies auf Martin Luther, der durch das Studium der Briefe des Apostels Paulus Antwort auf seine Fragen fand: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Wie werde ich vor Gott gerecht?“ Das Lesen der Bibel habe aus ihm einen neuen Menschen gemacht. Die Theologin erinnerte auch an die Verfolgung der Täufer durch die Lutheraner. Während der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) 2010 in Stuttgart hätten sich in einem Bußgottesdienst der LWB und die Mennonitische Weltkonferenz versöhnt. Vorausgegangen sei ein einstimmig gefasstes Schuldbekenntnis der Vollversammlung des LWB gegenüber den Täufern.

Jedes Jahr ein neues Thema

Neben der Eröffnung der Dekade fand in Augsburg auch die jährliche Tagung des Exekutivkomitees der Mennonitischen Weltkonferenz statt. 2018 liegt die Betonung von „Renewal 2027“ auf dem Heiligen Geist. Im April 2018 ist eine entsprechende Veranstaltung im Rahmen des Exekutivkomitee-Treffens in Kisumu/Kenia geplant. Weitere thematische Schritte sollen parallel zu den regulären MWK-Treffen in Lateinamerika 2019, Nordamerika 2020, und Indonesien 2021 geschehen.

Zwar soll es 2025 in Europa eine besondere Feier zum Gedenken an den 500. Jahrestag der ersten Bekenntnistaufen geben. Doch das Planungskomitee habe laut Alfred Neufeld bewusst das Jahr 2027 als Höhepunkt der Erinnerungsdekade gewählt. 2027 markiere zum einen den 500. Jahrestag des „Schleitheimer Bekenntnisses“ vom Januar 1527, das der frühen Täuferbewegung Struktur gegeben habe, zum anderen der „Märtyrersynode“ in Augsburg, wo sich führende Täufer trafen, um eine Missionsstrategie zu beraten. Die meisten von ihnen wurden bald danach hingerichtet. „Den Schlussakkord und Höhepunkt von ‚Renewal 2027‘ setzt dann im selben Jahr die 18. MWK-Weltversammlung“, informierte Neufeld.

Trilaterale Dialoggruppe zum Thema „Taufe“

In Augsburg tagte auch die trilaterale Dialoggruppe mit Vertretern des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, des Lutherischen Weltbundes und der Mennonitischen Weltkonferenz zur abschließenden Sitzung zum Thema „Taufe“. Erzbischof Castro und Professorin Nuessel gehören der Gesprächsgruppe an.

Mennoniten weltweit

Zu den Mitgliedern der MWK gehören 102 Mitgliedskirchen von Mennoniten- und Brethren-in-Christ-Gemeinden in 57 Ländern mit 1,4 Millionen getauften Gläubigen. Etwa zwei Drittel der getauften Mitglieder leben in Afrika, Asien oder Lateinamerika, ein Drittel in Europa und Nordamerika. Nach einer Statistik der MWK aus dem Jahr 2015 gibt es weltweit insgesamt über 2,1 Millionen Christen täuferischer Tradition (in Deutschland 47.202, in der Schweiz 2.350 und in Österreich 369). Etliche dieser Kirchen, besonders auch die Amish-Gemeinschaften in den USA, haben sich laut Neufeld nicht der MWK angeschlossen.

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