Volvo-Rückruf mit sofortiger Vollziehung – ein drastischer Schritt
Der vom KBA angeordnete Rückruf betrifft Fahrzeuge des Modells Volvo XC60 2.0 Diesel mit der Abgasnorm Euro 5 (Motor D, 120 kW, Frontantrieb, Erstzulassung ca. 03/2011 bis ca. 04/2013). Laut amtlicher Typgenehmigung handelt es sich um die Variante e112007/461440*01–05. Die betroffenen Fahrzeuge wurden mit einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung (AGR) ausgestattet – eine Technik, die unter bestimmten Bedingungen die Abgasreinigung reduziert oder ganz abschaltet.
Diese sogenannte Thermofenster-Funktion sorgt dafür, dass die Abgasrückführung nur bei Temperaturen zwischen 15 und 30 Grad Celsius vollständig funktioniert. Liegen die Außentemperaturen – wie in Mitteleuropa üblich – darunter oder darüber, wird die AGR drastisch reduziert. Dadurch steigen die Stickoxid-Emissionen im Fahrbetrieb an – teils deutlich über die gesetzlich erlaubten Grenzwerte. Genau das wertet das KBA als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007.
Besonders gravierend: Der Rückruf wurde mit sofortiger Vollziehung angeordnet. Das bedeutet, dass die betroffenen Fahrzeuge unabhängig von etwaigen Einsprüchen oder laufenden Verfahren unverzüglich stillgelegt werden können – ein drastischer Verwaltungsakt, der die Schwere des Verstoßes unterstreicht.
Volvo zeigt sich uneinsichtig – KBA greift durch
Bereits seit 2023 hatte das KBA den Verdacht einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei Volvo verfolgt und den Hersteller mehrfach aufgefordert, technische Lösungen zur Beseitigung der Problematik vorzulegen. Doch der Autobauer – mittlerweile Teil des chinesischen Geely-Konzerns – verweigerte bislang jegliche Kooperation. Volvo sieht sich nach wie vor im Recht und lehnt ein Software-Update ab.
Diese Weigerung führte nun zu einem Wendepunkt: Das KBA ordnete nicht nur den Rückruf, sondern explizit auch die Zwangsstilllegung der betroffenen Fahrzeuge an. Die Halter müssen innerhalb von zwei Monaten schriftlich über die Maßnahme informiert werden. Volvo hat angekündigt, sich gegen den Rückrufbescheid gerichtlich zur Wehr zu setzen.
Weitere Volvo-Modelle betroffen – bis zu 130.000 Fahrzeuge
Nach Medienberichten prüfen die Behörden derzeit, ob auch weitere Fahrzeuge mit ähnlicher Technik ausgerüstet sind. Laut einem Bericht der Bild-Zeitung und weiterer Quellen könnten insgesamt bis zu 130.000 Volvo-Dieselmodelle betroffen sein.
Dabei handelt es sich mutmaßlich um:
- Volvo-Modelle: XC60, XC90, V90, S90
- Motoren: D4 und D5
- Abgasnormen: Euro 5 und Euro 6
- Baujahre: etwa 2013 bis 2020
EuGH und BGH stärken die Rechte der Verbraucher
Aus Sicht der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer ist die rechtliche Lage eindeutig: Die Verwendung von Thermofenstern wurde von der europäischen und deutschen Rechtsprechung mehrfach als rechtswidrig eingestuft.
- Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 21. März 2023 (C-100/21), dass bereits fahrlässiges Verhalten der Hersteller – also auch ohne Vorsatz – zu einem Anspruch auf Schadensersatz führen kann.
- Der Bundesgerichtshof (BGH) folgte dieser Linie in mehreren Entscheidungen und stellte 2023 klar, dass Verbraucher entschädigt werden können, wenn der Hersteller grob fahrlässig handelte oder Grenzwertüberschreitungen wissentlich in Kauf nahm – etwa durch den Einsatz von Thermofenstern.
- Bereits in seinem Urteil vom 17. Dezember 2020 (C-693/18) hatte der EuGH festgestellt, dass jede Funktion, die unter normalen Fahrbedingungen die Wirkung des Emissionskontrollsystems mindert, eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt.
Dr. Stoll & Sauer klagt bereits gegen Volvo
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat bereits erste Klagen gegen Volvo eingereicht. Die Erfahrung aus jahrelanger Arbeit im Diesel-Abgasskandal zeigt: Wer frühzeitig handelt, hat die besten Chancen, sein Recht erfolgreich durchzusetzen – sei es auf Schadensersatz, Rückabwicklung oder Wertersatz.
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