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Vertrau(d)lich

Ungeduld ist keine Tugend

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
In Bewerbungsgesprächen werden die Kandidaten häufig nach ihren Stärken und Schwächen gefragt. Die Stärken herauszustellen fällt den meisten leicht. Doch wie stellt man seine Schwächen dar? Lange Zeit wurde mit der vermeintlichen Schwäche der Ungeduld kokettiert. Dies sollte aber eigentlich Tatendrang, Willensstärke und Erfolgsorientierung dokumentieren. Dabei wurden viele Jahrzehnte Forschungen ignoriert, die zu ganz anderen Ergebnissen kommen. Ungeduld ist dem-gemäß tatsächlich eine Schwäche. Der Schlüssel zum Erfolg liegt vielmehr in Geduld und Diszip-lin.

Bereits in den 60er Jahren startete der Psychologe Walter Mischel in den USA das sogenannte Marshmallow-Experiment. Dabei wurde Kindern im Vorschulalter ein kulinarisch attraktives Objekt, z.B. ein Marshmallow, in Aussicht gestellt. Die Kinder hatten die Wahl, sich entweder gleich der Versuchung hinzugeben oder sich etwas zu gedulden und dafür mit zwei Stücken der süßen Mas-se belohnt zu werden. Es ging also um die Frage: Konsum gleich oder Konsum später mit einer entsprechenden Entschädigung für die zeitliche Zurückhaltung. Wirklich spannend wurde das Experiment aber erst, als die beiden Gruppen über viele Jahre hinweg auf ihrem Lebens- und Karriereweg beobachtet wurden. Es stellte sich nämlich heraus, dass diejenigen Kinder, die eine hohe Selbstkontrolle hatten und sich gedulden konnten, später deutlich erfolgreicher waren als die "Sofortkonsumierer" bzw. die "Nichtinvestierer". Die Geduldigen konnten besser mit Stress umge-hen und hatten eine deutlich höhere Frustrationstoleranz. Offensichtlich verfügen einige Kinder über eine ausgeprägte Selbstkontrolle bzw. erlernen recht früh diese Eigenschaft. Selbstkontrolle bereits früh zu üben kann somit auch als Investition in die eigene Zukunft betrachtet werden. In vielen Personalabteilungen gehen mittlerweile auch die Alarmglocken an, wenn die Aspiranten mit der vermeintlichen Schwäche "Ungeduld" punkten wollen.

Bei einem Individuum ist es einfach, die Verantwortung für sein Handeln unmittelbar zuzuordnen. Je höher aber das Aggregationsniveau wird, desto unklarer sind üblicherweise die Wirkungsketten. So profitieren häufig andere von den Entscheidungen bzw. leiden unter ihnen. Wer sich also für eine Investition entscheidet, wird dies nur tun, wenn er auch mit entsprechenden Erträgen rechnen kann. Wenn nicht mehr sicher ist, dass man für das Warten auch mit einem Marshmallow belohnt wird, dann entscheiden sich vermutlich die meisten für den Gegenwartskonsum. Vertrauen spielt dabei eine wesentliche Rolle - sowohl für den Einzelnen als auch im Aggregat.

Tatsächlich zeigt sich derzeit in vielen Ländern eine große Investitionsschwäche. Die EZB, aber auch andere Notenbanken weltweit versuchen mit ihrer extrem expansiven Politik, die Investitions-zurückhaltung zu beenden. Während in den USA die Investitionstätigkeit angesprungen ist, lässt diese in Europa zu wünschen übrig. Nur in einigen wenigen Ländern wie Spanien ist seit geraumer Zeit eine Belebung der realen Ausrüstungsinvestitionen zu beobachten.

Offensichtlich erwarten nur noch wenige, dass sich das Warten lohnt. Aber warum spielen die Erkenntnisse aus dem Marshmallow-Experiment auf volkswirtschaftlicher Ebene kaum noch eine Rolle? Geduld, Selbstkontrolle und Disziplin ohne Wert? Die EZB gibt sich seit geraumer Zeit un-geduldig. Zum Glück hat sie jüngst nicht auch noch den Ankauf von Staatsanleihen beschlossen. Vielmehr scheint sie erst einmal abzuwarten, ob die bereits eingeleiteten Maßnahmen zum Erfolg führen. Disziplin ist insbesondere in finanzpolitischer Hinsicht angebracht. Die Staatsschuldenkrise ist durch eine zu starke Expansion der öffentlichen Haushalte entstanden. Vertrauen kann erst wieder entstehen, wenn die Investoren und auch Konsumenten auf eine nachhaltig angelegte Politik der Staatshaushalte, also auf deren Selbstkontrolle, bauen können.

Kurzfristig könnten vielleicht weitere schuldenfinanzierte Ausgaben die Konjunktur ankurbeln. Aber da nicht mehr klar ist, wer letztendlich die Kosten dafür tragen muss, wird dies die Tendenz zum Sofortkonsum bei den Meisten erhöhen. Investitionen bleiben dementsprechend aus. Dann zählt nur noch das Hier und Jetzt. Wie das Marshmallow-Experiment jedoch zeigt, kann weder der Ein-zelne noch eine ganze Nation mit solch einer Grundhaltung langfristig erfolgreich sein.

Beitrag erschienen in "Die Welt", 20. Dezember 2014

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