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Staatsschulden: Eine Plage biblischen Ausmaßes

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
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- Das überparteiliche Komitee zur Defizitreduktion hat sich nicht auf einen gemeinsamen Sparvorschlag für die Jahre ab 2013 einigen können.
- Dies unterstreicht die Differenzen zwischen den politischen Lagern, hat aber keine unmittelbaren ökonomischen Folgen. Der Kongress kann die "automatischen" Ausgabenkürzungen, die nun eigentlich anstehen, mit einfacher Mehrheit modifizieren.
- Leider ist damit eine weitere Gelegenheit verpasst worden, die nötige Haushaltskonsolidierung voranzutreiben. Je näher die Präsidentschafts- und Kongresswahlen im November 2012 rücken, desto geringer wird der Wille zur Kooperation.

Die politisch Verantwortlichen in den USA haben zwar grundsätzlich erkannt, dass die hohen Haushaltsdefizite und die steigenden Staatsschulden ein Problem darstellen, das eigentlich dringend angegangen werden muss. Wenn es um konkrete Schritte geht, folgen sie jedoch Augustinus von Hippo: "Gib mir Keuschheit und Enthaltsamkeit - aber nicht sofort!".

Im August hatten Demokraten und Republikaner einen Kompromiss getroffen. Der Kongress hob die Schuldengrenze an, der drohende Staatsbankrott wurde verhindert. Man einigte sich einerseits auf merkliche Einschnitte bei den Ausgaben - aber erst ab dem Fiskaljahr 2013, das im Oktober 2012 beginnt. Andererseits erging der Auftrag an das Komitee, Einsparmöglichkeiten im Umfang von mindestens weiteren 1,2 Billionen Dollar über zehn Jahre zu finden - jedoch erneut mit der Maßgabe, dass dies erst ab dem Fiskaljahr 2013 greift. Das laufende Haushaltsjahr wurde ausgenommen, denn angesichts des schwachen Wachstums, der hohen Arbeitslosigkeit und der Wahlen im November 2012 erscheinen kurzfristige Belastungen politisch und ökonomisch nicht ratsam. Um automatische Ausgabenkürzungen von 1,2 Billionen Dollar zu vermeiden, hätte der Kongress nun eigentlich bis zum 23. Dezember Zeit gehabt, den Vorschlag des Komitees als Gesetz zu verabschieden - ohne diesen ändern zu können und mit einfacher Mehrheit. Die für eine Verabschiedung im Senat faktisch erforderliche Mehrheit von 60 Stimmen war außer Kraft gesetzt.

Unter plausiblen Annahmen auf absehbare Zeit wachsender Schuldenberg
Nach dem Scheitern des Komitees sind die Perspektiven für eine Einigung schlecht. Schon Ende 2010 hatte eine überparteiliche Kommission einen Vorschlag zur Haushaltskonsolidierung1 vorgestellt und dieser sang- und klanglos in der Schublade verschwand. Theoretisch hat der Kongress nun vier Wochen Zeit, sich doch noch auf das nötige Sparvolumen zu einigen und damit die automatischen Kürzungen zu verhindern. Diese würden zu je 50 % auf die Verteidigungsausgaben und die zivilen Ausgaben - einschließlich Medicare, des Gesundheitssystems für Rentner, aber ausschließlich Medicaid (Arme) und Social Security (Renten) - entfallen.

Die Hürden für eine Einigung in letzter Minute sind jedoch hoch. Die Republikaner, die im Repräsentantenhaus die Mehrheit der Abgeordneten stellen, verweigern sich mehrheitlich jeglicher Steuererhöhung. Die Demokraten, die im Senat über eine Mehrheit, aber nicht über 60 oder mehr Sitze verfügen, lehnen deutliche Einschnitte bei den Leistungsgesetzen (insbesondere dem staatlichen Renten- und Gesundheitssystem) ab. Die Schnittmenge zwischen beiden Parteien ist entsprechend gering.

Allerdings ist die sich aus einer fehlenden Einigung ergebende Konsequenz automatischer Einschnitte aus Sicht der Politik ebenfalls unattraktiv. So umfangreiche Kürzungen bei den Verteidigungsausgaben (aktuell 50 % der diskretionären Ausgaben des Bundes, aber nur 20 % der Gesamtausgaben) könnten negative Auswirkungen auf die Schlagkraft der Streitkräfte haben. Dies wäre jedoch in breiten Wählerschichten unpopulär. Ob dies wirklich den Druck zu einem Kompromiss erhöht, oder es nicht vielmehr wahrscheinlicher macht, dass der Kongress den ganzen Prozess aushebelt, indem er die "automatischen" Kürzungen aussetzt, ist offen. Die Ankündigung von Präsident Obama, einen entsprechenden Versuch durch sein Veto zu stoppen, sollte nicht überinterpretiert werden. Sie ist Teil der politischen Auseinandersetzung. Wird er im Wahlkampf wirklich dabei bleiben, wenn ein konkreter Gesetzesentwurf auf seinem Tisch landet?

Status Quo: Hohes strukturelles Defizit, steigende Schuldenlast
Die Notwendigkeit, den Haushalt zu konsolidieren, besteht unverändert. Unter den führenden Industrienationen haben die USA auch 2011 wieder das größte strukturelle Defizit im Staatshaushalt. Bereinigt um zyklische Schwankungen liegt der Fehlbetrag der amerikanischen Gebietskörperschaften aller Ebenen in diesem Jahr bei 8,6 % des Bruttoinlandsproduktes (OECD-Schätzung vom Mai). Davon entfällt der Löwenanteil auf den Bund, denn die Defizite der Staaten und Gemeinden sind vergleichsweise gering.2 Die bisherige Verbesserung beim Bundeshaushaltssaldo ist zum einen konjunkturell bedingt und reflektiert zum anderen das Auslaufen des Stimuluspakets von 2009. Keiner dieser beiden Effekte wird jedoch nach 2012 noch eine größere Rolle spielen. Die letzten Maßnahmen im Rahmen des Konjunkturpakets laufen 2012 aus. Konjunkturell ist in den kommenden zwei Jahren keine deutliche Verbesserung mehr zu erwarten, denn das Wachstum dürfte in diesem Zeitraum im Durchschnitt nahe seinem Trend von 2 % liegen.

Da die Defizite zunächst weiterhin höher sind als das nominale Wachstum steigt die Schuldenlast der öffentlichen Hand. Zwar liegen die USA im Vergleich mit anderen OECD-Ländern in dieser Hinsicht eher im Durchschnitt. Zusammen mit dem hohen strukturellen Defizit und dem rasanten Anstieg der Schuldenquote ergibt sich aber ein wenig schmeichelhaftes Bild von den Staatsfinanzen. Für den Gesamtstaat haben die USA 2011 laut OECD einen Schuldenstand von über 100 % des BIP erreicht. In der in Amerika selbst im Vordergrund stehenden Abgrenzung der Bundesschulden ("debt held by the public") liegt der Schuldenstand bei fast 70 % und damit rund doppelt so hoch wie noch 2006. Auch wenn sich die Zinsbelastung derzeit wegen des Rekordtiefs der Kapitalmarktzinsen in Grenzen hält, ist der Konsolidierungsbedarf erheblich.

Auslaufende Regelungen als zusätzliche Herausforderungen
Der Handlungsspielraum in der Finanzpolitik wird zusätzlich geschmälert, weil verschiedene Gesetze per Jahresanfang 2012 und 2013 auslaufen. Dies gilt es in der Finanzplanung zu berücksichtigen - vorausgesetzt, dass es wirklich so kommt. Denn der Umgang mit diesen "automatischen" Änderungen ist zwischen Demokraten und Republikanern ebenfalls umstritten. Der nächste Stichtag ist der 1. Januar 2012: Erstens endet dann die Regelung, nach der Arbeitslose einen auf bis zu 99 Wochen verlängerten Anspruch auf Unterstützung haben. Da die Arbeitslosenquote mit 9 % noch immer hoch und der Anteil der Langzeitarbeitslosen erheblich ist, wird diskutiert, die großzügige Regelung um ein Jahr zu verlängern. Zweitens springt zum Jahreswechsel der für das Kalenderjahr 2011 gesenkte Rentenbeitrag wieder auf sein normales Niveau zurück. Dies würde die Einnahmen der Rentenkasse 2012 um rund 90 Mrd. Dollar erhöhen - aber die privaten Haushalte in gleichem Umfang belasten. Präsident Obamas im September vorgestellter "American Jobs Act" sah deshalb vor, den niedrigen Beitrag 2012 beizubehalten und darüber hinaus auch den Arbeitgeberanteil zu senken. Bisher hat dies jedoch noch keine Mehrheit im Kongress gefunden. Drittens müssen Investitionen, die von der derzeit möglichen steuerlichen Sofortabschreibung profitieren, bis zum 31. Dezember 2011 in Betrieb genommen sein. Dies stellt einen Anreiz für Unternehmen dar, geplante Anschaffungen eher früher als später vorzunehmen. Die Steuereinnahmen werden in diesem Fall nur verschoben - denn die Abschreibungen fallen in den kommenden Jahren entsprechend geringer aus. Die Wirksamkeit dieses Instruments ist jedoch umstritten und es sieht derzeit so aus, als würde die Deadline hier wie geplant beibehalten.

Größer noch ist die Unsicherheit hinsichtlich des Termins 1. Januar 2013. Zu diesem Zeitpunkt laufen die so genannten "Bush tax cuts" aus. Damit wird eine Reihe von umfangreichen Steuersenkungen bezeichnet, die unter George Bush 2001 und 2003 in Kraft traten, aber von Anfang an zeitlich beschränkt waren, weil sie so leichter durch den Kongress gebracht werden konnten. Im Dezember 2010 einigte sich Präsident Obama mit den Republikanern, die eigentlich schon Ende 2010 auslaufenden Regelungen bis Ende 2012 zu verlängern. Wenn diese Steuerentlastungen in vollem Umfang auslaufen, bringt dies laut CBO-Schätzungen dem Treasury Mehreinnahmen von 240 Mrd. Dollar im ersten Jahr und fast 2.500 Mrd. Dollar in den nächsten zehn Jahren. In gleicher Höhe werden allerdings die privaten Haushalte belastet.

Da sich die Republikaner gegen jede Form von Steuererhöhung positioniert haben, kann man gespannt sein, wie sie mit diesem Problem umgehen. Im Wahlkampf könnten sie versuchen, Präsident Obama den schwarzen Peter zuzuschieben und ihm die Schuld für die drohende Steuererhöhung geben. Allerdings wäre denkbar, dass die Demokraten ein Gesetz vorschlagen, das die Steuern nur für die reichsten Amerikaner erhöht. Dann müssten die Republikaner den Wählern erklären, warum sie - nur um Mehrbelastungen einer kleinen Minderheit zu verhindern - höhere Steuern für alle Amerikaner und möglicherweise eine Rezession in Kauf genommen haben.

Ausblick : Umfassende Steuerreform als Preis höherer Einnahmen?
Vor allem wenn die Politiker diese 2013 drohende Steuererhöhung verhindern sollten, reichen "Sparanstrengungen" im bisher diskutierten Umfang nicht aus, um die langfristige Tragfähigkeit der US-Staatsfinanzen sicher zu stellen. Die langfristigen Belastungen durch die Sozialsysteme erfordern in jedem Fall Einschnitte bei den Leistungen, höhere Einnahmen oder eine Kombination aus beidem. Statt den bislang vorgesehenen 2,4 Billionen Dollar an Konsolidierung von 2013 bis 2022 müsste eher eine Größenordnung von 4 Billionen Dollar anvisiert werden. Dies ist aber bei einer Beschränkung auf die Ausgabenseite nicht realistisch.

Damit wird der zukünftige Umgang der Republikaner mit dem Thema "höhere Steuern" zur zentralen Frage. Die Lösung könnte in einer grundlegenden Reform und Vereinfachung des extrem komplizierten Steuerrechts liegen. Der Bedarf hierfür liegt auf der Hand: Der Internal Revenue Code umfasst (ohne Regularien) 3,4 Mio. Worte. Die heiligen Bücher der drei großen monotheistischen Weltreligionen bringen es hingegen auf weniger als 900.000 Worte. So könnten wohl selbst eingefleischte Gegner höherer Abgaben steigenden Einnahmen zustimmen, sofern das System gleichzeitig merklich vereinfacht und verbessert würde. Ob es jedoch möglich ist, ohne eine weitere Zuspitzung der Situation (Herabstufung durch Rating-Agenturen, Druck des Rentenmarktes) die Widerstände gegen eine solche Reform zu überwinden, ist fraglich. Denn Steuersubventionen für Ausgaben für Spenden und Hypothekenzinsen, um nur die zwei wichtigsten zu nennen, haben zahlreiche und einflussreiche Verteidiger.

1 Siehe hierzu unser USA aktuell "Haushaltspolitik nach den Wahlen: Was nun?" vom Dezember 2010.
2 Siehe USA aktuell "Kommunalanleihen: Subprime, die Fortsetzung?" vom Mai 2011.
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