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Sind wir nicht alle ein bisschen China?

Vertrau(d)lich

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
Der August stand ganz im Zeichen des chinesischen Aktiencrashs. Nachdem der Shanghai Com-posite innerhalb eines Jahres um rund 150 Prozent gestiegen war, löste der Absturz sowohl im Inland als auch im Ausland Panik aus. Die chinesischen Autoritäten versuchten mit Kursstüt-zungsmaßnahmen gegenzusteuern. Auch wurden schnell „Schuldige" gefunden: Journalisten, die negativ über den Markt bzw. die bestehenden Risiken berichten. Aus westlicher Sicht mag die chinesische Vorgehensweise als interventionistisch erscheinen. Aber sind wir in Europa wirklich besser und überlassen die Kursbildung dem freien Spiel der Märkte?

Nicht nur die Entwicklung der Aktienkurse in China, sondern vielmehr die Frage, ob die dortige Wirtschaft eine harte Landung hinlegt und damit das Wachstum in den westlichen Industrieländern spürbar abbremsen würde, war maßgeblicher Auslöser für die heftigen Kursausschläge bei uns. Die Ursache für die Korrektur war freilich eine andere: die Abkopplung der Kurse von den funda-mentalen Gegebenheiten und eine ausgeprägte Sorglosigkeit der Anleger, an der die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht unschuldig war.

In den letzten Wochen zeigte sich neben den Anlegern auch die EZB besorgt. Auf ihrer letzten Pressekonferenz reduzierte sie sowohl ihre Inflations- als auch Wachstumsprognosen. Als Grund für die Revision führte Mario Draghi die Unsicherheit über die Entwicklung in den Schwellenlän-dern an. Im Übrigen ließ er keinen Zweifel an der Handlungsfähigkeit und Willigkeit der EZB, soll-ten sich die Aussichten für Wachstum und Inflation verschlechtern.

Angesichts des weiter gefallenen Rohölpreises war es keine große Überraschung, dass die EZB ihre Inflationsprognosen zurücknehmen musste. Wenn aber die Inflationsentwicklung weitgehend durch exogene Faktoren wie Ölpreise gesteuert wird, wie kann dann ein Anleihekaufprogramm helfen?

Auch beim Wachstum scheint die Wirksamkeit der Geldpolitik hinter den eigenen Erwartungen zurückzubleiben. Nur so lässt sich erklären, dass die EZB innerhalb von drei Monaten eine deutli-che Abwärtsrevision vornehmen musste. Mitverantwortlich hierfür macht sie die schwache Ent-wicklung in den Schwellenländern. Wenn aber die Wachstumsrisiken in erster Linie von den Schwellenländern ausgehen, wie kann dann eine noch expansivere Geldpolitik in der Eurozone helfen? Offensichtlich stößt die EZB mit ihrem Instrumentenkasten diesbezüglich an ihre Grenzen.

Außerdem befinden sich Russland und Brasilien schon seit mehreren Quartalen in einer Rezessi-on und auch das geringere Wachstum Chinas zeichnete sich seit Monaten ab. Neu war lediglich der Absturz des chinesischen Aktienmarktes. Hat die EZB dies als entscheidenden Risikofaktor für die europäische Wirtschaft ausgemacht oder hat sie sich durch die Korrektur der Aktienkurse in der Eurozone erschrecken lassen?

Sollte dies der Fall gewesen sein, wäre es beängstigend. Dann sollten wir nicht nur tadelnd nach China schauen und die Interventionen kritisieren. Denn was dort der Aktienmarkt, ist hier der Ren-tenmarkt.

Die EZB selbst hat die Grenzen ihrer Geldpolitik aufgezeigt, daraus aber nicht die Konsequenzen gezogen. Vielmehr verspricht sie, wenn nötig, noch einen Gang höher zu schalten. Aber was heißt das? Wenn sich die Aktienkurse von überbewerteten Niveaus zurück auf ihren fairen Wert bewe-gen? Wenn der Euro nicht dauerhaft unterbewertet ist, sich die Kapitalmarktzinsen in der Eurozone nicht in allen Ländern nahe Null befinden oder das Wachstum nicht die gewünschte Dynamik auf-weist? Derzeit entwickelt sich die Eurozone doch recht ordentlich. Dazu trägt auch der niedrige Ölpreis bei. Denn als Nettoimporteur dieses Rohstoffes werden die Europäer von dem trendmäßig niedrigeren Ölpreis profitieren. Diesen Effekt scheint die EZB offensichtlich zu unterschätzen.

Und außerdem – ist das wirklich alles Aufgabe der EZB? Ich empfehle eine Rückbesinnung auf das ursprüngliche Mandat der EZB: Gewährleistung der Kaufkraft des Euro sowie der Preisstabili-tät im Euroraum! Dabei sollten nicht nur die Konsumentenpreise im Fokus stehen, sondern auch die Vermögenspreise. Schließlich gefährden Blasen an Aktien- und Immobilienmärkten die Finanz-stabilität. Eine Ausweitung des Anleihekaufprogramms würde nicht nur die Preise an den Renten-märkten noch stärker verzerren, sondern auch zu gefährlichen Überbewertungen bei anderen Anlageklassen führen. Dies würde weitere Interventionen nach sich ziehen. China ist offen-sichtlich gar nicht so weit weg!

Beitrag erschienen in „Die Welt", 12. September 2015

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