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Frankreich: Établissements Publics

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(lifePR) (Frankfurt am Main, )
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Rechtlicher Status

Établissements Publics (EP) sind im französischen Verwaltungsrecht juristische Personen des öffentlichen Rechts, die unter der Kontrolle des Staates oder seiner untergeordneten Gebietskörperschaften einen oder mehrere Aufträge von öffentlichem Interesse wahrnehmen. Ihr Aufgabenfeld liegt vorwiegend im wirtschaftlichen und sozialen Bereich. Der Status Établissement Public kann entweder unmittelbar bei Gründung einer öffentlichen Einrichtung gewährt werden, die einen präzisen Auftrag von allgemeinem Interesse erfüllen soll (wie z.B. bei der Gründung der Eisenbahngesellschaft Société Nationale des Chemins de Fer Français SNCF oder der Versorger Gaz de France und Électricité de France), oder zugunsten einer bestehenden Einrichtung, um eine effizientere Ausübung ihrer Kompetenzen sowie ihrer Autonomie zu gewährleisten (z.B. Krankenhäuser). Bei der Gründung eines EP werden die Führungsorgane und ihre Kompetenzen festgelegt, sowie die Art der Ressourcen, über die das EP verfügen kann. Zudem basiert jedes Établissement Public auf drei Prinzipien:

- Spezialitätsprinzip: Die Kompetenzen der Établissements Publics sind auf den genau definierten Aufgabenbereich begrenzt.

- Autonomieprinzip: Établissements Publics besitzen finanzielle Autonomie und administrative Freiheiten. Zur Ausübung ihrer Aufgaben verfügen sie über ein eigenes Budget. Die finanziellen Ressourcen variieren je nach Art der öffentlichen Einrichtung: Subventionen des Staates oder seiner Gebietskörperschaften, Entgelte oder Nutzungsgebühren, Steuertransfers, Aufnahme von Fremdkapital.

- Angliederungsprinzip: Établissements Publics unterliegen der Kontrolle der Verwaltungseinheit, die sie gegründet hat. So sind nationale Établissements Publics an den Staat gegliedert, lokale hingegen an Gebietskörperschaften. Diese Angliederung bestimmt jedoch nicht zwingend den Auftragsradius des Établissement Public, und lokale EP können daher auch Aufgaben auf nationaler Ebene erfüllen. Der Grad der Kontrolle hängt von der Art der öffentlichen Einrichtung ab und bewegt sich zwischen einfacher Aufsicht und erforderlicher Genehmigung bei wichtigen Entscheidungen. Diese Kontrolle ist jedoch stets begrenzt, sodass die selbständige Ausübung des laufenden Geschäftsbetriebs im Sinne des Autonomieprinzips gewährleistet ist.

Vielfalt der Établissements Publics

Der Gesetzgeber definiert verschiedene Kategorien von öffentlichen Einrichtungen. Im Wesentlichen sind dies

- Établissements Publics à caractère Administratif (EPA),
- Établissements Publics à caractère Industriel et Commercial (EPIC),
- Établissements Publics à caractère Scientifique, Culturel et Professionnel (EPSCP) sowie
- Établissements Publics de Santé (EPS).

Sowohl die französische Regierung als auch lokale Gebietskörperschaften können eine öffentliche Einrichtung gründen, wenn diese unter eine bereits bestehende Kategorie von EP fällt. Die Schaffung einer neuen Kategorie von Établissement Public kann gemäß Artikel 34 der französischen Verfassung nur durch ein Gesetz erfolgen. Die Abgrenzung der einzelnen EP-Kategorien kann schwierig sein, sodass in bestimmten Fällen die Zuordnung bereits vom Gerichtshof entschieden werden musste. Außerdem existieren EP mit Sonderstatus wie z.B. das Finanzinstitut Caisse des Dépôts et Consignations (CDC).

In der Praxis ist meist von den beiden wirtschaftlich bedeutendsten Kategorien - EPIC und EPA - die Rede, die sich in Bezug auf ihren Aufgabenbereich, ihre betrieblichen Prozesse sowie ihre Ressourcen unterscheiden:

- EPIC üben zwar einen öffentlichen Auftrag aus, nähern sich aber dem Betrieb eines privaten Unternehmens. Dies gilt ebenso für ihre Organisation und ihre strategische Steuerung. Letztlich soll ein wesentlicher Teil ihrer Ressourcen aus Nutzungsentgelten oder gewerblichen Einnahmen bestehen. Tätigkeiten der EPIC sind vornehmlich durch das Privatrecht geregelt. So unterliegen Verträge, die ein EPIC mit den Nutzern abschließt, immer dem Privatrecht.

- EPA nehmen hingegen einen nicht gewerblichen Auftrag von öffentlichem Interesse wahr und unterliegen keinem Wettbewerb. Sie werden ausschließlich durch staatliche Mittel finanziert und ihre Mitarbeiter sind in der Regel Staatsbedienstete. EPA unterstehen dem Verwaltungsrecht.

Eine offizielle, vollständige Auflistung aller Établissements Publics existiert nicht. In seinem Lagebericht vom Oktober 2009 zählte der Staatsrat (Conseil d'Etat) etwa 780 EP (zzgl. lokale EP und EP des Gesundheitswesens) aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes.

Beispiele zu EPIC und EPA

Zu den EPIC gehört Réseau Ferré de France (RFF), der Besitzer und Betreiber des französischen Schienennetzes. RFF wurde 1997 durch Ausgliederung aus der SCNF gegründet, mit der Aufgabe, das nationale Schienennetz zu warten, umzubauen und zu entwickeln. Ziel der Ausgliederung war außerdem die Trennung der Infrastruktur von deren gewerblicher Nutzung, um Konkurrenten der SNCF den Zugang zum französischen Schienennetz zu erleichtern. Die Ressourcen von RFF bestehen vornehmlich aus den Entgelten der Netzbenutzer (insbesondere der SCNF / 3,7 Mrd. Euro im Jahr 2011), aus Subventionen und Transfers des französischen Staates (insgesamt 2,1 Mrd. Euro) sowie Mitfinanzierungen aus nationalen oder europäischen Quellen (1,8 Mrd. Euro). Zusätzlich nahm RFF im Jahr 2011 3,3 Mrd. Euro an den Finanzmärkten auf. Ebenso wie im Fall der CADES unterstellen die Ratingagenturen eine implizite Staatsgarantie zugunsten von RFF. Ende Oktober 2012 kündigte die französische Regierung eine mögliche Wiederangliederung der RFF an die SCNF an, die ebenfalls den Status eines EPIC genießt.

Zu den EPA zählt die Caisse d'Amortissement de la Dette Sociale (CADES), die zu 100 % dem französischen Staat gehört und unter seiner Kontrolle steht. Die CADES wurde 1996 zur Verwaltung, Refinanzierung und Tilgung eines Teiles der Schulden des staatlichen Sozialsystems gegründet. Ende 2011 wies CADES eine ausstehende Schuldenlast in Höhe von 142,5 Mrd. Euro auf. Zum Leisten des entsprechenden Kapitaldienstes verfügt die CADES über folgende Ressourcen: Kapitalaufnahme an den Anleihenmärkten (55,3 Mrd. Euro im Jahr 2011), Transfers von Sozialabgaben (Contribution pour le Remboursement de la Dette Sociale - CRDS, Contribution Sociale Généralisée - CSG / 11,8 Mrd. Euro) sowie seit 2011 zusätzlich Steuerzuweisungen und Mitteltransfers aus dem Fonds de Réserve pour les Retraites (FRR / insgesamt 3,7 Mrd. Euro). Obwohl der französische Staat die Verbindlichkeiten der CADES nicht explizit garantiert (siehe Abschnitt 3), gehen die Ratingagenturen von einer höchstwahrscheinlichen Unterstützung des Staates bei finanziellen Schwierigkeiten aus. Das Rating der CADES entspricht daher dem des französischen Staates.

Implizite Garantie des französischen Staates?

Eine explizite Haftung des französischen Staates zugunsten der Établissements Publics ist im Wortlaut weder gesetzlich noch durch einen Erlass festgelegt. Ratingagenturen unterstellen jedoch grundsätzlich eine implizite Staatsgarantie, weswegen EP von günstigen Kreditkonditionen profitieren. Die Argumentation der Ratingagenturen beruht in erster Linie auf dem Status eines Établissements Publics, der folgende juristische Auswirkungen hat:

- Aus Artikel 2 des Gesetzes 85-98 vom 25. Januar 1985 (heute im Handelsgesetzbuch, Artikel L.620-2, übernommen) lässt sich entnehmen, dass das gemeinrechtliche Insolvenzverfahren bei Établissements Publics nicht anwendbar ist.

- Vermögenswerte juristischer Personen des öffentlichen Rechts können nicht beschlagnahmt werden. Daraus schließt der Französische Kassationshof (oberster französischer Gerichtshof), dass Établissements Publics keiner Zwangsvollstreckung unterworfen werden können.

- Aus Artikel 1 des Gesetzes 80-539 vom 16. Juli 1980 lässt sich ableiten, dass, im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines EP, der französische Staat oder die jeweilige kontrollierende Verwaltungseinheit in letzter Instanz für die Zahlungsverpflichtungen des Établissement Public aufkommen muss. Es gilt allerdings zu beachten, dass die administrativen Schritte, die zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens und letztlich zur Zahlung an den Gläubiger führen, gegebenenfalls einen langen Zeitraum (bis hin zu mehreren Jahren) in Anspruch nehmen können.

- Die Regierung ist berechtigt, einem Établissement Public explizite Garantien zu gewähren, solange diese durch ein Finanzgesetz genehmigt werden.

- Bei Liquiditätsengpässen profitieren Établissements Publics von diversen Mechanismen zur vorläufigen Unterstützung durch den Staat.

Der Auslegung der Ratingagenturen unterliegt zudem die Annahme, dass EP strategische Aktivitäten ausüben, die für die Wirtschaft oder das nationale Interesse von entscheidender Bedeutung sind und der Staat ihrem Fortbestand somit oberste Priorität einräumt. Als staatsnahe Institutionen weisen viele Établissements Publics das gleiche Rating wie der französische Staat auf.

Zukunft der Établissements Publics und Konflikte mit dem europäischen Recht

Gemäß Artikel 87 des EG-Vertrages sind "staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen." Die EU-weite Vorgabe, bestimmte Bereiche des Binnenmarktes schrittweise für den Wettbewerb zu öffnen, indem Privilegien der Staatsmonopole abgeschafft werden, betrifft grundsätzlich die EPIC, da diese im Gegensatz zu den EPA eine gewerbliche Tätigkeit ausüben und somit im Wettbewerb mit privaten Unternehmen stehen können. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden mehrere, strategisch wichtige Établissements Publics in Aktiengesellschaften mit teilweise oder vollständig staatlichem Anteilseigner umgewandelt: France Télécom (1996), Électricité de France und Gaz de France (2004), Aéroport de Paris (2005), sowie als jüngstes Beispiel La Poste (2010). Die Beibehaltung des Rechtsstatus Établissement Public wäre insofern problematisch gewesen, als dass diese öffentlichen Unternehmen finanzielle Vorteile aus ihren engen Beziehungen mit dem französischen Staat hätten ziehen können - insbesondere aufgrund der unterstellten unbeschränkten Haftung. Dies hätte privatrechtliche Wettbewerber benachteiligt und somit gegen das europäische Wettbewerbsrecht verstoßen.

Aus diesem Grund klagte die Europäische Kommission im Fall La Poste gegen Frankreich. Die Beihilfen, die das EPIC in Form einer unentgeltlichen Garantie erhalten habe, hätten einen erheblichen Finanzierungsvorteil bewirkt. Frankreich bestritt jedoch mehrfach diese Interpretation vor den europäischen Richtern. So sei der französische Staat seit dem Finanzgrundgesetz aus dem Jahr 2001 dazu verpflichtet, jegliche Garantie oder Übernahme von Schulden durch den Staat explizit im jährlichen Finanzgesetz genehmigen zu lassen, sodass kein impliziter Haftungsmechanismus zugunsten der EPIC bestünde. Die Analyse der Europäischen Kommission wurde jedoch durch den Europäischen Gerichtshof im September 2012 bestätigt.

Der Beschluss zu La Poste, die inzwischen in eine Aktiengesellschaft (Société Anonyme) umgewandelt wurde, stellt den juristischen Status weiterer EPIC in Frage. Noch ist unklar, inwiefern die europäischen Regelungen zu einer Entwicklung des Status oder zu einer Reduzierung der Anzahl von EPIC führen werden. Mittelfristig scheint der EPIC-Status bedroht zu sein. Dies gilt insbesondere für diejenigen Unternehmen, deren Markt liberalisiert wurde oder werden soll, wie zum Beispiel im Fall der SNCF oder der RATP (Régie Autonome des Transports Parisiens). Die Europäische Kommission wird die in Erwartung des Urteils zu La Poste suspendierte Ermittlung zum Status der SNCF nun weiterführen. Die französische Regierung steht somit vor großen Herausforderungen, da die unmittelbare Reform des Status öffentlicher Unternehmen ein sowohl politisch als auch sozial sehr sensibles Thema ist: Die Mitarbeiter und die Gewerkschaften der betroffenen Unternehmen befürchten, dass solche Statusänderungen mittelfristig zu einer Privatisierung des Unternehmens führen und warnen somit vor dem schrittweisen Rückzug des Staates aus seinen öffentlichen Versorgungsaufträgen sowie den möglichen Konsequenzen für die Benutzer öffentlicher Dienstleistungen.

Darüber hinaus gilt es, die potentielle Schwächung der Finanzkraft der Établissements Publics abzuwägen, falls es im Zuge einer Statusänderung zu Ratingherabstufungen kommt. Auch die Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft (März 2010) sorgte für politische und soziale Spannungen, zumal das Unternehmen aufgrund rückläufiger Volumina im klassischen Briefgeschäft mit strukturellen Schwierigkeiten konfrontiert ist. Allerdings bemühte sich der französische Staat, die Bonität des Konzerns aufrechtzuerhalten: Das Gesetz 2010-123 vom 9. Februar 2010 schreibt vor, dass das Eigenkapital von La Poste ausschließlich vom französischen Staat (als Hauptanteilseigner), von anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechtes sowie von Mitarbeitern gehalten werden darf. So wurde im Zuge der Umwandlung von La Poste eine Kapitalerhöhung in Höhe von 2,7 Mrd. Euro durchgeführt, von denen der Staat 1,2 Mrd. Euro und die staatliche Caisse des Dépôts et Consignations 1,5 Mrd. Euro einbrachten. Infolgedessen erfolgte nur eine moderate Verschlechterung des Ratings von La Poste auf AA (Fitch) und A (Standard & Poor's). Nachdem sich der Renditespread gegenüber französischen Staatsanleihen im Zuge der Statusänderung ausgeweitet hatte, konnte er sich im Verlauf eines Jahres wieder größtenteils zurückbilden.
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