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Branchenfokus: Deutsche Chemieindustrie vor Herausforderungen

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
Trotz des schwachen Jahresbeginns in der klassischen Chemie dürfte die chemisch-pharmazeutische Industrie 2014 einen Produktionszuwachs von 2 ¼ % erreichen. Voraussetzung ist, dass der Konflikt mit Russland nicht weiter eskaliert. Die Impulse gehen zurzeit vom Inland aus. Die Branche steht vor einem Strukturwandel, der sich auf den deutschen Standort negativ auswirken könnte.

Die deutsche Chemieindustrie ist bereits seit Frühjahr 2013 in einem zögerlichen Aufschwung. Der Jahresbeginn 2014 verlief aber eher enttäuschend: Aufträge und Produktion waren rückläufig. Trotzdem lagen die realen Auftragseingänge in den ersten vier Monaten 2014 um rund 2 ½ % über dem niedrigen Vorjahresniveau. Die Produktion hingegen stieg ohne die Pharmasparte kaum. Positiver entwickelten sich die Umsätze, getragen vom Inland. Wachstumstreiber ist zurzeit die Pharmaproduktion, die in diesem Zeitraum um fast 10 % zugelegt hat. Diese Sparte hat den starken zyklischen Einbruch 2008/09 nicht mitgemacht. Bis ins Jahr 2012 hinein stagnierte die Erzeugung. Erst in jüngster Zeit gewinnt die deutsche Pharmaindustrie wieder an Dynamik. Auch wenn die statistische Erfassung der Produktion in dieser Sparte als schwierig gilt, scheint doch die Tendenz richtig erfasst zu sein. Zumindest die Umsatzstatistik zeichnet ein ähnliches Bild.

Die Geschäftserwartungen der Branche haben sich zuletzt ebenfalls etwas eingetrübt. Grund hierfür dürfte vor allem die Verunsicherung durch die Ukraine- bzw. Russlandkrise sein. Nur wenn es zu keiner weiteren Verschlechterung in den Wirtschaftsbeziehungen kommt, wird die Chemiekonjunktur keinen größeren Schaden nehmen. Impulse erhält die Branche durch die günstige deutsche Industriekonjunktur. Auch im weiteren Jahresverlauf werden die industriellen Verbraucher im Inland eine lebhafte Nachfrage entfalten. Dies gilt beispielsweise für die Baubranche, die mit hoher Dynamik ins neue Jahr gestartet ist und im Wohnungsbau eine Sonderkonjunktur erlebt. Der Automobilsektor profitiert von einer anhaltenden Konjunkturbelebung. Dies führt auch zu mehr Nachfrage aus der Gummi- und Kunststoffindustrie, dem wichtigsten Abnehmer von chemischen Produkten im Verarbeitenden Gewerbe. Der Bereich der Konsumchemikalien dürfte von steigenden Realeinkommen der privaten Haushalte in Deutschland profitieren.

Von der Auslandsnachfrage gehen zurzeit divergierende Signale aus: Zwar erholt sich die Konjunktur in der EU, in die fast 58 % der deutschen Chemieexporte gehen. Die große Wachstumsheterogenität in der Eurozone zeigt allerdings, dass der Aufschwung kein "Selbstläufer" ist. Vor allem die Wirtschaftsentwicklung in Frankreich und Italien gibt zur Sorge Anlass, während Spanien auf gutem Wege ist. Auch das hohe Wachstum in den USA und in Asien dürfte im weiteren Jahresverlauf hierzulande zu Chemiewachstum führen, wenngleich die Umsätze im ersten Quartal dort enttäuschend verliefen. Trotz der Abschwächung in vielen Ländern wächst in den Schwellenländern die Industrieproduktion.

Das niedrige Ausgangsniveau zu Jahresbeginn lässt auch bei einer unterstellten Erholung nur noch einen Produktionszuwachs in der deutschen Chemieindustrie (ohne Pharma) von 1,5 % erwarten. Geht man davon aus, dass trotz der Stabilisierung der Erzeugerpreise für das Gesamtjahr nochmal ein Rückgang von 1 % hingenommen werden muss, dann dürften die Umsätze nur um rund ½ % zulegen. Der Aufschwung fällt damit schwach aus. Erst 2015 kann mit einem kräftigeren Zuwachs gerechnet werden. Deutlich erfreulicher entwickelt sich die Pharmaindustrie, für die ein Produktionszuwachs von 5 % die Untergrenze darstellt. Die Gesamtbranche würde damit 2014 ein Produktionsplus von rund 2 ¼ % erreichen.

Hohe Energiekosten, mehr Investitionen im Ausland

Die Ertragslage der Branche war 2013 durch sinkende Erzeugerpreise belastet worden. Mittlerweile scheint der Abwärtstrend bei den Chemikalienpreisen allerdings gestoppt. Durch die niedrigen Mineralölpreise im ersten Quartal war auch Naphtha, der wichtigste Rohstoff der Chemieindustrie, günstiger zu haben. Bei gleichzeitig nahezu stabilen Primärchemikalienpreisen stieg damit die Gewinnmarge in der Petrochemie. Seit April ist allerdings auch der Rohölpreis wieder etwas angestiegen.

Die Branche erwirtschaftet zwar im Vergleich zum Verarbeitenden Gewerbe in der Regel eine überdurchschnittliche Rendite. Gleichwohl führen Standortnachteile zu einem Überdenken der Investitionsentscheidungen. So sind von der chemisch-pharmazeutischen Industrie bereits 2012 erstmals mehr Investitionen im Ausland als in Deutschland getätigt worden. Als Schwerpunktregion wurden die USA gewählt. Hintergrund dürften weniger die Markterschließung als niedrige Energieund Stromkosten sein. Durch die Förderung von Schiefergas kostet dieser Energieträger in den USA deutlich weniger als in Europa. Nicht nur die deutsche Industrie investiert mehr in den USA. Nach Einschätzung des American Chemistry Council (ACC) dürfte durch die Shale Gas-Förderung mehr als 125 Mrd. US$ mit dem Peak im Jahr 2016 zusätzlich investiert werden. Da erst ein Teil der neuen Kapazitäten errichtet ist, hat die US-Chemieproduktion bislang sowohl im Bereich der organischen Grundstoffe als auch insgesamt nur verhalten reagiert. Auch ist es bislang nicht zu Preissenkungen bei Petrochemikalien und Kunststoffen gekommen. Die Prognosen des ACC gehen allerdings davon aus, dass sich die Produktion von chemischen Grundstoffen in den USA in den nächsten Jahren deutlich besser entwickeln dürfte als in Europa, wo der Gaspreis höher bleibt.

Bereits jetzt ist in den USA ein klarer Wettbewerbsvorteil für die Ethylenproduktion mit Hilfe von Ethan-Crackern entstanden. In Europa werden stattdessen erdölbasierte Naphtha-Cracker eingesetzt. Die Ethan-Cracker haben allerdings den Nachteil, dass sie wesentlich geringere Mengen an Propylen, C4-Alkenen und Aromaten liefern. Der verstärkte Ethan-Einsatz in den USA dürfte damit bei gleicher Nachfrage diese Grundchemikalien verteuern. Damit könnten sich die Chancen von biobasierten Produktionslinien verbessern, beispielsweise die Herstellung von Propylen aus Bioethanol. In vielen Bereichen ist aber noch nicht klar, ob sich letztendlich bio- oder fossil-basierte Produktionslinien durchsetzen werden.

Das für die europäischen Unternehmen deutlich negativere Szenario wäre, dass sich nicht nur die Petrochemie zunehmend auf die USA konzentriert, sondern sich auch Teile der nachgelagerten Stufen der Spezialchemie dort ansiedeln. Es muss deswegen ein wichtiges Ziel der Energiepolitik bleiben, für günstige Energie für die industrielle Produktion in Europa zu sorgen. Dies gilt auch für Strom, der hierzulande bereits deutlich teurer als in den wichtigen Konkurrenzländern ist.

Aktivitäten verschieben sich Richtung China und NAFTA

In einer Studie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) zusammen mit Prognos von 2013 wird geschätzt, dass sich die Nachfrage nach chemischen Produkten im Prognosezeitraum bis 2030 weltweit um jahresdurchschnittlich 4,5 % erhöht. Die Branche wird also dynamisch expandieren. Allerdings verschieben sich die Nachfragezentren in die Schwellenländer vor allem nach Asien. Dort sind die steigenden Einkommen der Mittelschicht und teilweise eine wachsende Bevölkerung die entscheidenden Treiber. Die Industrieländer dürften langsamer expandieren. Dort findet weniger ein Mengenwachstum statt. Vielmehr ist eine Nachfrageverschiebung zugunsten hochwertiger und innovativer Chemikalien zu erwarten. Hiervon kann auch der deutsche Chemiestandort profitieren. Für die hiesige Chemieproduktion wird bis 2030 zwar nur ein jahresdurchschnittliches Wachstum von 1,8 % prognostiziert. Gleichwohl ist dieser Wert höher als das deutsche Wachstumspotenzial, dass zurzeit auf nur 1 ¼ % geschätzt wird.

Die Energiekosten sind nicht die einzigen Treiber der deutschen Direktinvestitionen. Neben dem NAFTA-Raum bleiben auch Investitionen zur Markterschließung in Asien auf der Tagesordnung deutscher Unternehmen. Dies gilt seit langem für die großen Player mit breitem Angebot, zunehmend aber auch für mittelständische Spezialchemiehersteller. Indem sie auf die Verlagerung der Abnehmerbranchen reagieren, können sie ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Der Anteil Asiens an den gesamten Direktinvestitionsbeständen der deutschen chemisch-pharmazeutischen Industrie steigt kontinuierlich an und lag zuletzt bei 17 %. Der Wert für den gesamten NAFTA-Raum hat sich auf gut 27 % erhöht. Noch sind allerdings die Direktinvestitionen in der EU 27 mit einem Anteil von 37 % am wichtigsten. Die Bedeutung dieser "Heimatregion" sinkt allerdings. Dies dürfte auch der schwierigen wirtschaftlichen Situation in vielen europäischen Ländern geschuldet sein. Allerdings ist hierdurch in vielen Bereichen, beispielsweise durch den drastischen Einbruch der Pkw- Neuzulassungen, ein enormer Nachholbedarf entstanden. Auch wenn sich dies nicht unbedingt in höheren Direktinvestitionen zeigt, sollte doch in den nächsten Jahren die Chemienachfrage steigen.

Hohe Wettbewerbsfähigkeit - neue Chancen

Noch aber ist die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland hoch wettbewerbsfähig. Die Branche ist mit einem Anteil von rund 11 % an den weltweiten Ausfuhren Exportweltmeister. Nach Umsätzen gemessen liegt Deutschland hinter China, den USA und Japan an vierter Stelle. Die Branche gibt 5,5 % ihres Umsatzes für F&E aus. Die pharmazeutische Industrie zieht hiervon mehr als die Hälfte auf sich. Die Sparte ist sehr forschungsintensiv. Trotzdem ist Deutschland auf das klassische Chemiegeschäft konzentriert. So trägt die Pharmasparte nur gut ein Fünftel zum gesamten Branchenumsatz bei. Beispielsweise in Frankreich wird hier trotz sinkender Tendenz immer noch ein Drittel erreicht. Gemessen an den gesamten in der OECD getätigten F&E-Ausgaben kommt Deutschland in der chemischen Industrie auf einen Anteil von gut 13 % und liegt damit nach den USA und Japan immerhin auf Platz 3. Die deutsche pharmazeutische Industrie steuert nur 8 % zum gesamten OECD-Forschungsinput der Branche bei. Deutschland erreicht hier mit der Schweiz zusammen Platz vier. Der Pharmastandort Deutschland ist also ausbaufähig.

Sowohl in der klassischen Chemie als auch im Pharmasegment bestehen gute Chancen, innovative Produkte und Prozesse zu entwickeln. So bieten sich der Chemieindustrie die bereits erwähnten Chancen durch die Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Allerdings ist auch bei umfassender Verlagerung der Rohstoffbasis vom Rohöl bzw. Erdgas zur Biomasse, also hin zu der sogenannten weißen Biotechnologie, nicht davon auszugehen, dass die traditionelle Chemie komplett ersetzt wird. Trotzdem wird die Änderung der Rohstoffbasis vom Erdöl zu pflanzlicher Biomasse als Schlüssel für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit gesehen. Für die weiße Biotechnologie werden hohe Wachstumsraten in den nächsten Jahren erwartet. Ein weiterer innovativer Bereich ist die Nanotechnologie. Mithilfe dieser Technologie lassen sich Materialeigenschaften gezielt gestalten. Dies dient beispielsweise der Leichtbauweise zum Zwecke der Energieeinsparung. In der Pharmaindustrie steht nicht nur weiterhin die Entwicklung von neuen Arzneimitteln auf der Tagesordnung. Neue Bereiche wie die regenerative Medizin rücken in den Vordergrund. Bereits heute werden in vitro gezüchtete Haut-, Knorpel- oder Knochenzellen eingesetzt. Das Potenzial, mit lebenden Zellen erkranktes Gewerbe wiederherzustellen, ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Gerade der deutsche Standort liegt in diesem Bereich weit vorne. Durch die älter werdende Bevölkerung in den Industrieländern und die steigenden Einkommen der Schwellenländer dürfte die Nachfrage nach den Produkten der pharmazeutischen Industrie längerfristig zunehmen.

Gefahren und Chancen für chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland

Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland und die Wirtschaftspolitik stehen in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Nur teilweise besitzt die Branche mit innovativen Produkten ein Gegenmittel zu den hohen Energiekosten in Deutschland. Die Wirtschaftspolitik sollte dieses Problem für die nach Umsatz drittwichtigste Branche in Deutschland im Auge behalten. Der Erhalt einer möglichst großen Zahl von Produktionsstätten ist nicht nur wegen der fast 440.000 Arbeitsplätze wichtig. Auch ist die Chemieindustrie entscheidender innovativer Impulsgeber für die nachfolgenden Branchen.

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