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Die Debatte um die aktive Sterbehilfe ist noch nicht vorbei

(lifePR) (Sankt Augustin, )
In Deutschland ist  nun geschäftsmäßig betriebene aktive Sterbehilfe verboten. Aber wie lange? Hat der deutsche Gesetzgeber die Rechnung ohne seinen europäischen Wirt gemacht?

Man erinnere sich an eine ähnlich gelagerte Fragestellung, die moralische und medizinische Aspekte vereint. Am 4. Oktober 1991 beschloss der Gerichtshof der EU in der Rechtssache C-159/90, dass Abtreibung eine Dienstleistung im Sinne des Unionsrechts ist. Im Ausgangsverfahren verklagte die Irische Gesellschaft für den Schutz des ungeborenen Lebens (SPUC Irland) eine Reihe von Studentenvertretern, die genaue Informationen über Namen und Adressen von Kliniken in einem anderen Mitgliedstaat, in denen ärztliche Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, an irischen Universitäten verteilten. In Irland ist Abtreibung jedoch sowohl durch die Verfassung als auch durch Einzelgesetze verboten. Dazu zählt ausdrücklich auch das Verbot, schwangere Frauen in Irland u. a. dadurch dabei zu unterstützen, ins Ausland zu reisen, um dort ihre Schwangerschaft abbrechen zu lassen, dass sie über den Namen und die Adresse einer oder mehrerer Kliniken, in denen ärztliche Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, sowie über die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit solchen Kliniken informiert werden. Drei Fragen wurden dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt: (1) Fällt die organisierte Abtreibungstätigkeit oder Vornahme einer Abtreibung oder ein ärztlicher Schwangerschaftsabbruch unter den Begriff der „Dienstleistungen" im Sinne des Unionsrechts? (2) Kann ein Mitgliedstaat, solange es an Maßnahmen zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die organisierte Abtreibungstätigkeit oder Vornahme einer Abtreibung oder über den ärztlichen Schwangerschaftsabbruch fehlt, die Verbreitung genauer Informationen über den Namen und die Adresse einer oder mehrerer Kliniken in einem anderen Mitgliedstaat, in denen Abtreibungen vorgenommen werden, sowie über Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit einer solchen Klinik verbieten?  (3) Ist ein einzelner im Mitgliedstaat A nach dem Gemeinschaftsrecht befugt, genaue Informationen über den Namen und die Adresse einer oder mehrerer Kliniken im Mitgliedstaat B, in denen Abtreibungen vorgenommen werden, sowie über Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit einer solchen Klinik zu verbreiten, wenn die Abtreibung sowohl nach der Verfassung als auch nach dem Strafrecht des Mitgliedstaats A verboten, im Mitgliedstaat B aber unter bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig ist?

Der EuGH entschied, dass Abtreibung eine Dienstleistung im Sinne des Unionsrechts ist. Der Einwand von SPUC, die Vornahme einer Abtreibung könne nicht als Dienstleistung angesehen werden, da sie höchst unmoralisch sei und die Zerstörung des Lebens eines  ungeborenen Kindes zur Folge habe, wies der EuGH mit diesen Worten zurück: «Derartige Argumente, welchen Wert sie in moralischer Hinsicht auch haben mögen, können die Antwort auf die erste Vorlagefrage nicht beeinflussen.». Seither fällt Abtreibung unter das EU-Prinzip der Dienstleistungsfreiheit. Bezüglich des Zugangs von Informationen beschied der EuGH, dass das wohl verboten werden könne, wenn die Verteilung von Informationen nicht von den betroffenen Kliniken selbst vorgenommen bzw. die Verteilung in Auftrag gegeben wurde. Soweit die Rechtssache C-159/90.

Analog kann man sehen mit der Euthanasie und « Informationen über lebensverkürzende Maßnahmen ».

Hat der deutsche Gesetzgeber also die Rechnung ohne seinen europäischen Wirt gemacht? Sowohl der EuGH in Luxemburg als auch der Menschrechtsrechtsgerichtshof des Europarats in Strasbourg sind bekanntermaßen unberechenbare Akteure im supranationalen Rechtssetzungsprozess. Sie ersetzen im Streitfalle den demokratisch legitimierten Gesetzgeber durch oftmals politisch motivierte Grundsatzurteile. « Schafft den Europäischen Gerichtshof ab » forderte deshalb der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts und spätere Bundespräsident Roman Herzog. Jedes Land hat seine eigene Kultur des Sterbenlassens – oder auch des Tötens. Drei Monarchien der EU legalisierten bereits die aktive Sterbehilfe und den assistierten Suizid: Belgien, die Niederlande und Luxemburg, Belgien und die Niederlande auch für Untertanen ab 14 Jahren, also Kinder. Die Europäische Menschenrechtskonvention des Europarats verbietet die aktive Sterbehilfe nicht, und die Legalisierung der freiwilligen aktiven Sterbehilfe ist mit der Menschenrechtskonvention vereinbar.

Vor diesem Hintergrund lassen auch die Europa-Abgeordneten der linken und liberalen Fraktionen des EU-Parlaments keine Gelegenheit ungenutzt, um parlamentarische Initiativen für ein « Recht auf Tod »  zu ergreifen. Derzeit liegt im EU-Parlament die Schriftliche Erklärung 0055/2015 aus, die von Mitgliedern der SPD-, FDP- und der kommunistischen Fraktion vorbereitet wurde. Darin heißt es: « Das Recht auf ein Leben in Würde bedingt das Recht, in Würde zu sterben. Alle europäischen Bürger, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die an einer unheilbaren Krankheit im fortgeschrittenen oder Endstadium leiden, die zu unerträglichem körperlichen oder psychischen Leiden führt, das nicht gelindert werden kann, sollten die Möglichkeit haben, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um ihr Leben in Würde zu beenden. » Und weiter : « Kraft Artikel 35 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Artikel 6 Buchstabe a, Artikel 9 und Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verfügt die Europäische Union über Befugnisse, um die Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes und der Verbesserung der öffentlichen Gesundheit zu koordinieren oder zu ergänzen. » Schließlich werden die Forderungen aufgestellt: « Die Kommission wird aufgefordert, eine Analyse der unterschiedlichen Formen von gesundheitlicher Betreuung am Lebensende, die in den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden, vorzunehmen, um bewährte Verfahren auszumachen. Die Kommission wird aufgefordert, den Austausch von bewährten Verfahren in Bezug auf die gesundheitliche Betreuung am Lebensende unter den Mitgliedstaaten zu fördern, damit die Menschenwürde aller Bürger am Lebensende sichergestellt wird. »

Es geht bewusst nicht mehr um die bisher in den nationalen Diskussionen bekannte Verbindung zwischen Euthanasie und Strafrecht. In Brüssel werden die Argumente zugunsten des « Rechts auf Sterben » «gemeinschaftskonform» verlagert in denjenigen Entscheidungsbereich, in dem die EU-Institutionen eine Zuständigkeit besitzen, nämlich das öffentliche Gesundheitswesen. Diese Erklärung wurde bislang von 71 Europa-Abgeordneten unterschrieben, die Mindestanzahl von Unterstützerunterschriften beträgt 351 Abgeordnete. Die Erklärung liegt noch bis Anfang Januar 2016 aus. Dann beginnt die nächste Runde in der Euthanasiedebatte.

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