Ulrike Pott (GDV) thematisierte den als schleppend empfundenen und von Gesellschaft, Politik und Verbraucherschutz erwarteten Kulturwandel der Versicherungsbranche und machte unter anderem gesetzliche Regelungen und Verbraucherschutzmaßnahmen dafür verantwortlich. Neben diesem Punkt möchte der GDV 2015 auch an dem Thema "Digitalisierung" ansetzen. Versicherer hätten erkannt, welche Chancen in der digitalen Erfassung von Gesundheitsdaten liegen. Eine konstruktive öffentliche Diskussion zu Datenerfassung und Datenschutz soll unterstützen die Chancen in den Mittelpunkt zu rücken.
Dr. Uwe Stuhldreier (Cosmos) erläuterte die differenzierte Betrachtungsweise des Direktversicherers auf die neuen Kommunikationstechnologien. Mit dem Low-Involvement-Produkt "Versicherung" funktionieren die sozialen Medien nicht. Dennoch ist es erforderlich die Wertschöpfungskette an den neuen Technologien auszurichten, denn der Kunde soll den Kontaktkanal flexibel wählen können. "Sie glauben ja wohl nicht, dass einer an der Bushaltestelle über das Mobiltelefon eine Lebensversicherung abschließt", ist seine überraschende Sicht auf den Trend "Versicherungs-App". Apps gestalte er aus einem anderen Kalkül: Funktionieren Produkt und Abschlussprozess über eine App, ist Einfachheit garantiert - für alle Abschlusswege.
" Dieter hat's verdient". Erfolgreiche Werbung mit einem Testimonial - war der Titel des Vortrages von Dr. Per-Johan Horgby (VHV Allgemeinen Versicherungs AG). Die ersten Phasen brachten nicht die gewünschte Markenbekanntheit. "Wir positionierten uns um, aber keiner hat's gemerkt.", war das Fazit. Daraufhin ging man mit Mut und Dieter Bohlen ans Werk. "Dieter hat gewirkt": Obwohl zwischen Idee und Umsetzung nur wenige Wochen lagen, hatten die humoristischen, schnellen und einfachen Geschichten mit Dieter Bohlen unglaubliche Wirkung entfaltet und die Markenbekanntheit stieg rasant um 75 Prozent. Zusammenfassend machte Horgby zwei Erfolgsfaktoren aus: Erstens eine hohe Reichweite und zweitens ein bekanntes und gern gesehenes Testimonial.
Entscheidungsforscher Prof. Wolfgang Gaissmaier (Universität Konstanz) zeigte auf, warum der Bauch dem Hirn überlegen ist und welche Fehleinschätzungen Menschen treffen können, wenn Sie Risiken unter subjektiv sehr bewegenden Eindrücken bewerten. Weder würden die Menschen alle möglichen relevanten Ergebnisse kennen, noch die Wahrscheinlichkeiten für deren Eintreten. Anhand vieler Beispiele kam er zu dem Schluss, dass "eine gewisse Semi-Ignoranz der Güte einer Entscheidung durchaus zuträglich sein könne" und bei dünner Informationslage auf seinen Bauch zu hören.
Joachim Geiberger (Morgen & Morgen), plädierte für eine Reduktion der Komplexität im Vertrieb. Mit einfachen Vertriebskonzepten und intensiven Schulungen der Vertriebe würden Kunden wie Vermittler nicht überfordert werden: Wie solle ein Kunde die Preisunterschiede zwischen Pflegerente und Pflegetagegeld verstehen? Welcher Vermittler könne schon ein wirklich schlüssiges Konzept anbieten zur Absicherung der Arbeitskraft aus Erwerbsunfähigkeit, Dread Disease, Unfall, Pflege, Grundfähigkeiten und Berufsunfähigkeit? Eine Lösung sah er in zielgruppenspezifischen Konzepten, die verständlich und erschwinglich blieben und mit Assistanceangeboten weit über die reine Kostenerstattung hinausgehen.
Thomas Ötinger (marcapo) zeigte, wie der Vermittler sich durch "Local Branding" als Vertrauensperson positionieren kann und erläuterte weshalb die Bekanntheit des Vermittlers vor Ort für Versicherer ein zentraler Erfolgsfaktor im Vertrieb ist. Werbebotschaften, die die Marke Vermittler mit der Marke des Unternehmens verbinden, festigen beim Kunden die lokale Marke. Am Beispiel der Web-Plattform der WWK veranschaulichte Ötinger, wie Vertriebspartner ihre Werbung individuell selbst gestalten können, ohne dass Corporate Design und Werbebotschaft des Versicherers verwässert werden.
Dr. Thorsten Schwarz (ABSOLIT-Consulting) verschob den Fokus von Content Marketing als "alten Hut" auf die Kunst der Adaption der Themen in die Welt des Internets, des E-Mail- und Suchmaschinen-Marketings und der Sozialen Medien. Statt Werbung suche der User hilfreiche Informationen für sein Anliegen. Wird der User durch relevanten Content auf der eigenen Seite fündig, wird sein Interesse geweckt. Diesen sensiblen Kundenkontakt gilt es nun aufzubauen: Der Prozess der Kontaktaufnahme müsse durch den Kunden frei wählbar sein, einfach sein und technisch funktionieren. Der Kunde erwarte Antworten in immer kürzeren Zeiträumen. Gefragt nach dem "Königsweg" empfahl Schwarz: "Gründen Sie ein Kompetenzteam Digitalisierung aus unter 25-jährigen und lassen Sie die einfach machen. Die sind in dieser Welt groß geworden, haben die Prozesse im Blut und sehen keine Barrieren, wo keine sind."
Dr. Reiner Reitzler, Vorstandsvorsitzender des Münchener Verein, appellierte abschließend an die Marketer, den Wandel der Versicherungsbranche mutig und optimistisch mitzugestalten. Digitalisierung, Branchenimage, Kapitalmarktumfeld und Gesetzesvorgaben seien zu einem Teil von der Branche selbst gestaltbar. "Parken bedeutet dabei Stillstand, Umparken bedeutet Beweglichkeit und Flexibilität". In jedem Fall sei es an der Branche, sich zu bewegen und mit den aktuellen Herausforderungen konstruktiv umzugehen.
Der Termin für die nächste Fachtagung steht bereits fest: Sie wird am 20. und 21. April 2016 in München stattfinden.