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„Der Watschenmann“

Vom Austeilen und Einstecken: eine österreichische Radiogeschichte / 20. Juni bis 12. September 2008

(lifePR) (Wien, )
Die legendäre österreichische Radiosendung "Der Watschenmann", die von Oktober 1954 bis zum 1. Jänner 1956 und wieder von 1967 bis 1975 zu hören war, hat mit viel Witz Missstände in Politik und Gesellschaft Österreichs aufs Korn genommen und satirisch bloßgelegt. Sie war Produkt einer Zeit, als es kaum Enthüllungsjournalismus in den Zeitungen gab und die großkoalitionäre Regierung des "Wiederaufbaus" Probleme lieber unter den Teppich kehrte als diskutierte.

Die Sendung - Namensgeber ist jene Figur aus dem Wiener Wurstlprater, die man ohrfeigt, wenn man seinen Zorn loswerden will oder seine Kraft messen möchte - wurde wöchentlich produziert. Geschrieben wurde "Der Watschenmann" weitgehend von denselben Autoren - darunter Walter Davy, Jörg Mauthe, Fritz Mauthe, Peter Weiser und Wolf Neuber - und zwei Mal unter großem Getöse von den angegriffenen Politikern abgestellt, was einen Aufschrei unter den begeisterten HörerInnen und in manchen Print-Medien hervorrief.

Die erste "Watschenmann"-Serie wurde von "Rot-Weiß-Rot" (RWR), dem US-amerikanischen Radiosender im besetzten Nachkriegsösterreich, jeden Sonntag Vormittag ausgestrahlt. RWR hatte übrigens seinen Sitz in der Seidengasse 13, im selben Gebäude wie das heutige Literaturhaus. "Der Watschenmann" stand mit seinem heiteren und kritischen Anspruch in Kontrast zum Programm des Senders "Radio Österreich", den die Regierung und die sowjetische Besatzungsmacht kontrollierten. Mit der Auflösung der Einrichtungen der Besatzungsmächte wurde 1955 der Sender RWR geschlossen, Personal und Programme vom staatlichen "Österreichischen Rundfunk" übernommen - doch nur für kurze Zeit. Mit 1. Jänner 1956 stellte der Programmdirektor Rudolf Henz den "Watschenmann" ein, trotz heftiger Proteste vieler HörerInnen und einer durch die Tageszeitung "Neuer Kurier" initiierten "Volksabstimmung", die in zwei Wochen über 130.000 Unterschriften sammelte.

Die zweite "Watschenmann"-Serie produzierte der ORF, als er - nach einem richtiggehenden Volksbegehren - durch ein Rundfunkgesetz von den starken Einflüssen der Politik befreit worden war. Sie lief immerhin von 1967 bis 1975, bis erneut der politische Druck zu groß wurde.

"Der Watschenmann" griff Missstände auf und war vor allem wegen seines respektlosen Umgangs mit Obrigkeiten beliebt. Die Sendungen hatten eine kleinteilige Struktur, der eine weitgehende Ritualisierung der Dialoge zugrunde lag: Es gab z.B. die Gespräche zwischen zwei Engerln und zwischen zwei Teuferln, die einander in Bezug auf ihre "Chefs" - also die gute Obrigkeit im Himmel und die böse in der Hölle - Aktualitäten und Erlebnisse erzählten und jeweils die Reaktionen ihrer "Chefs" vorhersagten; es gab Fragespiele zwischen dem Dummen und dem noch Blöderen; dem Opa und den Kindern; gleichnishafte Szenen aus dem Bagdad von tausendundeiner Nacht geißelten natürlich Missstände in Wien ("Bei uns in Bagdad!"); und die Poldi-Huber-Briefe, deren Verfasser und Vorleser zwar ein schlechtes Deutsch schrieb, aber in seinen Briefen an den "liiiben Franzi" in Linz den gesunden Menschenverstand zum Ausdruck brachte nach dem Motto Kindermund tut Wahrheit kund. Kurz: "Der Watschenmann" wurde zu einem Synonym für pointierte Satire, aktuell, kritisch, abwechslungsreich und originell.

Einen Einblick in die Produktion der zweiten Serie bietet der erstmals öffentlich präsentierte "Watschenmann"-Privatfilm von Lukas Ertl. Ertl betreute in den siebziger Jahren die Sendung als Tontechniker und war für die Auswahl der Musikstücke zwischen den einzelnen Szenen verantwortlich. Der 1975 entstandene, ursprünglich auf 8 mm gedrehte Streifen bietet neben Interviews mit den Autoren und Sendungsmachern auch einen Einblick über den Aufbau und Ablauf des "Watschenmanns". Die rund 60minütige Langversion wird nur am Eröffnungsabend gezeigt, danach wird die rund 30 Minuten lange Kurzfassung zu sehen sein.

Die Ausstellung präsentiert:
- 4 komplette "Watschenmann"-Sendungen - 2 aus der ersten Serie, 2 aus der zweiten Serie), die an Hörsäulen und via Audioguide zu erleben sind. Auf den Audioguides sind darüberhinaus auch 50 ausgewählten Einzelszenen zu hören.
- Kurzversion (ca. 30 Minuten, 1975) des "Watschenmann"-Privatfilms von Lukas Ertl
- Dokumente zur Arbeit des Senders "Rot-Weiß-Rot" im Haus Seidengasse 13
- Sendemanuskripte und Mitschnitte aus der ersten Serie: die letzte von RWR ausgestrahlte Sendung vom 24.7.1955 sowie die letzte vom Österreichischen Rundfunk ausgestrahlte Sendung vom 1.1.1956.
- Die Rede von Programmdirektor Rudolf Henz über die vorgebliche Notwendigkeit, die Sendung zu beenden; und ein Sendemanuskript, wie es ihm wohl gefallen hätte.
- Das "Watschenmann"-Volksbegehren in Zeitungsberichten und Briefen aus dem "Neuen Kurier" (Dezember 1955 bis Februar 1956).
- Sendemanuskripte aus der zweiten Serie und Mitschnitte zweier Sendungen (darunter der ersten mit der "Wiedererweckung" des Watschenmannes).
- Material zu "Fällen", die "Der Watschenmann" aufgriff, sowie Dokumente zum gerichtlichen Nachspiel einer Sendung aus dem Jahr 1955.
- Fortsetzung des "Watschenmanns" als Kolumne in der Tageszeitung "Kurier", ab Juli 1975
- ein kleine Auswahl anderer "vorlauter" Literatur

Eröffnung: 19. Juni 2008, 19 Uhr
Mit Gerda Davy und Lukas Ertl
Lukas Ertl präsentiert erst- und einmalig die Langfassung seines "Watschenmann"-Privatfilms. In der Ausstellung wird eine Kurzfassung zu sehen sein.
Begrüßung und Einleitung: Heinz Lunzer

Eine Ausstellung der Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Kurator: Heinz Lunzer) in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Rundfunk ORF, der Österreichischen Mediathek, dem Österreichischen Theatermuseum und der Tageszeitung "Kurier".

Öffnungszeiten der Ausstellung:
Juni: Mo, Mi 9 - 17, Di 9 - 19, Fr 9 - 15 Uhr (Eingang: Seidengasse 13) und während der Abendveranstaltungen (Eingang: Zieglergasse 26A) Juli, August, September: Mo, Mi 9 - 17, Fr 9 - 15 Uhr
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