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sinn_spuren - Ein musikalisches Poem in drei Teilen

Premiere am 28. Januar 2011, 19.30 Uhr im Großen Haus

(lifePR) (Heilbronn, )
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"Die letzte Stufe"
Monolog von Anna Katharina Hahn (UA)

14. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch

"Lieder und Tänze des Todes" von Modest Mussorgsky in einer Neuinstrumentierung von Andreas Tarkmann (UA)

Musikalische Leitung: Ruben Gazarian
Inszenierung: Christian Marten-Molnár
Ausstattung: Nikolaus Porz
Dramaturgie: Karoline Felsmann

Mit: Ingrid Richter-Wendel (Lina Eisele); Ksenija Lukic (Sopran); Vladimir Miakotine (Bass)

Es spielt das Württembergische Kammerorchester

Weitere Vorstellungen: 29. Januar 2011, 19.30 Uhr; 4. März 2011, 19.30 Uhr; 6. März 2011, 19.30 Uhr

Theaterfrühstück am Sonntag, 23. Januar, 11 Uhr im Foyer des Großen Hauses

Das Wertvollste, was der Mensch besitzt....

Dreiteiliger Schauspiel- und Musiktheaterabend "sinn_spuren" dreht sich um erfülltes Leben und würdiges Altern mit einer Uraufführung von Anna-Katharina Hahns Bühnenerstling "Die letzte Stufe" und Schostakowitsch und Mussorgsky interpretiert vom Württembergischen Kammerorchester

Ein ganz besonderer Theaterabend hat am 28. Januar um 19.30 Uhr Premiere am Theater Heilbronn: Das musikalische Poem "sinn_spuren". Besonders ist dieser Abend auf vielfache Weise. Es ist sowohl ein Schauspiel, als auch ein Musiktheaterabend und in mehrfacher Hinsicht ein Novum. Die Uraufführung von Anna Katharina Hahns erstem Theatertext "Die letzte Stufe" eröffnet den Abend. Außerdem wurde Schostakowitschs 14. Sinfonie noch nie in Bilder und Geschichten auf der Bühne übersetzt. Und die Neuorchestrierung der "Lieder und Tänze des Todes" von Mussorgsky, die Andreas Tarkmann vorgenommen hat, erlebt ebenfalls an diesem Abend ihre Uraufführung.

Der rund einstündige Schauspielmonolog von Anna Katharina Hahn "Die letzte Stufe" beschreibt die Situation einer alten Frau, die ihr Haus verlassen, alle Erinnerungsstücke zurücklassen und in ein Zimmer im Altersheim ziehen soll. Getragen von der aufwühlenden Musik der beiden Russen wird deren konkrete Geschichte zu einer Reise durch das vergangene Jahrhundert, dessen wichtigste Ereignisse wie in einer überdimensionalen Fotoausstellung die Bühne prägen. Hier ist ein Mensch, der die Erinnerungen an die Katastrophen und Freuden des 20. Jahrhunderts noch in sich trägt.

Die musikalische Leitung hat der Chefdirigent des Württembergischen Kammerorchesters, Ruben Gazarian. Die Idee zu diesem Musiktheaterprojekt stammt von Christian Marten-Molnar, Chefdramaturg und Musiktheaterregisseur am Theater Heilbronn. Er übernimmt auch gemeinsam mit Bühnen- und Kostümbildner Nikolaus Porz die szenische Umsetzung.

Teil I "Die letzte Stufe"

Die Uraufführung von Anna Katharina Hahns Monolog "Die letzte Stufe" eröffnet den Abend, der sich um das existentielle Thema des erfüllten Lebens und des würdigen Alterns dreht. Die Stuttgarter Autorin, die gerade für ihren Debütroman "Kürzere Tage" mit zwei wichtigen Literaturpreisen geehrt wurde, stellt damit erstmals ihre feine Beobachtungsgabe und ihre schöne, bildhafte Sprache der Bühne zur Verfügung.

Es ist der Monolog für eine alte Frau, die auf der letzten Stufe ihres Lebens angekommen ist.

Über 80 Jahre ist sie alt und soll raus aus ihrem Haus, in dem sie seit mehr als 50 Jahren lebt. So jedenfalls wollen es ihre Tochter und der Schwiegersohn. Vernünftig soll sie sein und ins "betreute Wohnen" gehen, einsehen, dass sie es allein nicht mehr schafft. "Nimm die Sachen mit, an denen du am meisten hängst", sagt die Tochter. Aber Lina Eisele hängt mit jeder Faser an jedem Stück in ihrem Haus. Wie nur soll sie sich verabschieden von den Möbeln und Bildern, die mit so vielen Erinnerungen verbunden sind? Den Garten zu verlassen, ist das Schlimmste. Nur vier Topfpflanzen darf sie mitnehmen. 14 Stufen hat die Treppe ihres Hauses. Mittlerweile braucht sie eine halbe Stunde, um diese hinauf zu steigen. Auf der letzten Stufe muss sie sich niedersetzen und innehalten.

Die Grand Dame des Heilbronner Theaters, Ingrid Richter-Wendel, wird Lina Eisele verkörpern, die sich von allem, was sie ausmacht, verabschieden soll. Sie steht stellvertretend für jene Generation, die dieses Land nach dem Krieg aufgebaut hat, die nun die letzten Zeitzeugen der Katastrophen des 20. Jahrhunderts sind. Im turbulenten Alltag ihrer Kinder und Enkel werden die "Alten" oft als lästig empfunden und von der Politik als Kostenfaktor eingestuft. Anna Katharina Hahn schrieb übrigens nicht nur den Text. Sie begleitet auch intensiv den Probenprozess mit Schauspielerin Ingrid Richter Wendel.

Teil II und III
Die 14. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch und "Lieder und Tänze des Todes" von Modest Mussorgsky

Diese konkrete Situation entwickelt sich im zweiten Teil des Abends zu einer musikalisch- szenischen Gedanken- und Gefühlsreise mit Dmitri Schostakowitschs 14. Sinfonie. Einem großen emotional aufwühlenden Werk, das der damals schwerkranke Komponist im Jahre 1969 in Auseinandersetzung mit dem befürchteten nahen Tod schrieb. Isoliert im Krankenhaus, getrieben von der Angst, sein Werk nicht mehr vollenden zu können, arbeitete Schostakowitsch an dieser Sinfonie. Inspiration war ihm dabei ein Gedanke seines Landsmannes und Schriftstellers Nikolai Ostrowski "Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Es wird ihm nur einmal gegeben, und er muss es so nützen, dass ihn später sinnlos vertane Jahre nicht qualvoll gereuen..."

Die Idee dieses Werkes trug Schostakowitsch seit 1962 in sich. Er orchestrierte damals Mussorgskys "Lieder und Tänze des Todes". Eine Komposition, die er schon immer bewunderte. "Damals dachte ich, daß ein gewisser >Mangel< dieses Werkes seine Kürze sei: im ganzen Zyklus nur vier Lieder. Ob man nicht Mut fassen und versuchen sollte, den Zyklus fortzusetzen", schrieb Schostakowitsch.

Die Idee und das Konzept für den Musiktheaterabend "sinn_spuren", den das Theater Heilbronn in Kooperation mit dem Württembergischen Kammerorchester (WKO) auf die Bühne bringt, stammt von Chefdramaturg Christian Marten-Molnar. Bereits vor zwei Jahren hat er zusammen mit dem WKO einen eindrucksvollen Musiktheaterabend inszeniert, in dessen Zentrum zwei Werke von Arnold Schönberg standen. Für Theater und WKO war damals klar, dass diese für beide Seiten sehr bereichernde Zusammenarbeit fortgesetzt werden soll. Und weil Marten-Molnár ein Bewunderer der Schostakowitsch-Interpretationen von WKO-Chefdirigent Ruben Gazarian ist, dessen CD-Einspielung der Kammersinfonien er gar spektakulär nennt, schlug er vor, die Musik dieses großen Russen ins Zentrum des neuen gemeinsamen Projektes zu stellen. Das Thema von Schostakowitschs 14. Sinfonie - das Altern und die Einsamkeit alter Menschen beschäftigt ihn seit vielen Jahren Und dann fiel ihm jenes Buch von Anna Katharina Hahn in die Hände und ließ ihn nicht mehr los: "Kürzere Tage", in dem ihn besonders die Figur der alten Frau Luise berührte. Um so schöner, dass die Autorin sofort ihre Bereitschaft zur Mitarbeit erklärte. Ihr Monolog entstand in der Auseinandersetzung mit der Musik und den Texten von Schostakowitschs 14. Sinfonie. Diese Sinfonie sprengt alle Grenzen des Genres, eigentlich ist sie ein Oratorium aus 11 Gesängen für Sopran und Bass, dem 11 Gedichte von Lorca, Apollinaire, Rilke und Küchelbecker zugrunde liegen. "Elf Miniatur-Opern, die danach schreien, auf die Bühne gebracht zu werden."

Außerdem gelang es, den Komponisten und Arrangeur Andreas Tarkmann mit ins Boot zu holen, der die "Lieder und Tänze des Todes" von Mussorgsky für das WKO arangiert. Mit Ksenja Lukic als Sopran kommt jene Sängerin wieder nach Heilbronn, die bereits beim Schönberg-Abend überzeugen konnte. Und mit dem russischen Bass Vladimir Miakotine wurde ein meisterhafter Schostakowitsch- und Mussorgsky-Interpret gewonnen. Sopran und Bass verkörpern in dieser Inszenierung zwei Seiten der Persönlichkeit von Lina Eisele. Die Sängerin steht für das Lebensprinzip, für das Festhalten an den schönen Erinnerungen und das Hoffen, dass das Leben auch auf der letzten Stufe einiges für sie bereit hält. Der Bass steht für die Todessehnsucht und den Gedanken an Selbstmord, der sich immer wieder in ihr Bewusstsein drängt.

Anna Katharina Hahn

Anna Katharina Hahn, geboren 1970 in Ruit, studierte nach dem Abitur in Stuttgart Germanistik, Anglistik und Volkskunde an der Universität Hamburg.

1996 bis 2001 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Bibel-Archiv und in der Handschriftenabteilung der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Neben wissenschaftlichen Veröffentlichungen publizierte sie literarische Texte

(Sommerloch, 2000, Kavaliersdelikt, 2004). 2004 nahm sie am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil. Sie lebt heute in Stuttgart. Für ihren 2009 bei Suhrkamp erschienenen "Debüt-Roman" "Kürzere Tage" erhielt sie (Suhrkamp 2009) gerade erst zwei hohe Auszeichnungen: den Doderer-Literaturpreis und den Roswitha-Preis,, den ältesten und bedeutendsten Literaturpreis der nur an Frauen verliehen wird. Die Jury belohnte damit ihre Gabe "eleganten Stil, Sarkasmus und Empathie" zu vereinen.

Ruben Gazarian - Dirigent
*08.11.1971, Eriwan (Armenien)

Ruben Gazarian hat mit Beginn der Konzertsaison 2002/2003 die künstlerische Leitung des renommierten Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn übernommen. Das Standardrepertoire des Orchesters hat er durch gelegentliche Ausweitung auf sinfonische Besetzung und durch die Wahl zahlreicher Werke aus der Romantik, der frühen Moderne und der Avantgarde bemerkenswert erweitern können.

Im Alter von vier Jahren erhielt Gazarian den ersten Violinunterricht von seinem Vater. Es folgte eine Ausbildung an der Spezialmusikschule "P. I. Tschaikowsky" und später am Staatlichen Konservatorium in Eriwan beim Primarius des berühmten Borodin-Quartetts Prof. R. Aharonian. Seine solistische Laufbahn begann Ruben Gazarian 1983. Noch während des Studiums erhielt er einen Sondervertrag als Vorspieler und Solist des Staatlichen Kammerorchesters Armeniens und war zeitgleich Geiger im Staatlichen Klaviertrio des Armenischen Funk- und Fernsehens.

Im Jahr 1992 setzte Gazarian sein Violinstudium an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig fort und schloss es 1995 mit dem Konzertexamen ab. Noch im gleichen Jahr folgte ein Dirigierstudium - ebenfalls an der Leipziger Musikhochschule - welches er 1998 mit der Höchstnote absolvierte. Nach mehrjähriger Tätigkeit (1993-1998) als Erster Konzertmeister des Westsächsischen Symphonieorchesters, wurde Gazarian 1999 zu dessen Chefdirigenten gewählt und war zu dem Zeitpunkt der jüngste Chefdirigent Deutschlands.

Im September 2002 wurde Ruben Gazarian Preisträger des 1. Internationalen Dirigentenwettbewerbs "Sir Georg Solti" in Frankfurt am Main. Im gleichen Monat begann er seine Tätigkeit als der neue Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn. In dieses Amt wurde er sowohl vom Orchester, als auch von der Findungskommission einstimmig gewählt.

Als Gastdirigent stand Gazarian u. a. am Pult des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR, des WDR-Sinfonieorchesters Köln, des RSO-Frankfurt, der Hamburger Symphoniker, des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, des Frankfurter Museumsorchesters (Orchester der Oper Frankfurt), des Orchestre Philharmonique de Strasbourg, Orchestre National de Lyon, des Züricher Kammerorchesters. Zahlreiche Konzertmitschnitte von ihm liegen beim Hessischen Rundfunk, Südwestrundfunk, Westdeutschen Rundfunk, Deutschlandradio, Mitteldeutschen Rundfunk und Radio Svizzera Italiana vor.

Erfolgreiche Zusammenarbeit verbindet Gazarian mit so namhaften Solisten, wie Gautier und Renaud Capuçon, Julia Fischer, Hilary Hahn, Katia & Marielle Labèque, Elisabeth Leonskaja, Sabine Meyer, Viktoria Mullova, Sergei Nakariakov, Gerhard Oppitz, Jean-Yves Thibaudet, Frank Peter Zimmermann, Beaux Arts Trio und vielen anderen.

Andreas N. Tarkmann, 1956 in Hannover geboren, ist einer der kreativsten Arrangeure von Instrumental- und Vokalmusik und ein vielseitiger Komponist. Als Arrangeur schrieb Tarkmann für internationale Ensembles und Rundfunksender zahlreiche Bläserfassungen und Harmoniemusiken. Viele von Tarkmanns Arrangements sind auf CD verfügbar, u.a. in Produktionen mit Placido Domingo, Anna Netrebko, Albrecht Mayer und James Galway. Tarkmanns Oeuvre als Komponist umfasst Werke für Familienkonzerte wie "Die Prinzessin auf der Erbse" und "Der Mistkäfer" nach Hans Christian Andersen, aber auch Jugendopern wie "La belle au bois dormant" und "Räuber Hotzenplotz" sowie Vertonungen kabarettistischer Texte für namhafte Chansoninterpreten. Seit 2001 lehrt Andreas N. Tarkmann als Professor für Instrumentation und Arrangement an der Musikhochschule Mannheim.

Christian Marten-Molnár (Regie)

Christian Marten-Molnár wurde 1960 in Oldenburg geboren. Von 1980 bis 1984 studierte er Musiktheaterregie an der Musikhochschule in Hamburg. 1984/85 ging er als Regieassistent und Mitarbeiter des Oberspielleiters ans Staatstheater Oldenburg, 1985 bis 1991 war er Regisseur und Dramaturg am Städtebundtheater in Hof und lehrte auch an der Universität Bayreuth. 1991/92 war er Oberspielleiter am Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen. Danach arbeitete er freischaffend als Regisseur und freier Mitarbeiter der Salzburger Festspiele. Von 1996 bis 2000 ging er als Regisseur, Chefdramaturg und Stellvertretender Intendant ans Stadttheater Gießen und nahm Lehraufträge an der Universität Gießen wahr. Mit seiner Inszenierung "Parzival" erhielt er 1999 eine Einladung zur "Münchner Biennale für Neues Musiktheater". Von 2000 bis 2003 arbeitete er als Regisseur und Chefdramaturg am Schleswig-Holsteinischen Landestheater und lehrte an der Universität Flensburg. Er führte Regie in zahlreichen Inszenierungen (unter anderem Opern von Mozart, Verdi, Puccini, Wagner, Marschner, Weber, Catalani, Massenet, Debussy, Strawinsky, Hindemith, Antheil, Brand, Henze), darunter viele Ur-und deutsche Erstaufführungen, beispielsweise "Russalka" (Alexander Dargomyschski), "Parzival" (Gemeinschaftsoper der Kompositionsklasse von Adriana Hölszky, "Sarka" (Leos Janacek), "Jahrtausend" (Benjamin Lang), "Hamelin" (Ian Wilson). Von 2003 bis 2008 war er Chefdramaturg und Regisseur am Theater Rudolstadt. Hier inszenierte er unter anderem "Bandscheibenvorfall" von Ingrid Lausund, "Ab jetzt" von Alan Ayckbourn und die Musiktheaterabend "Die Weise von Liebe und Tod" von Viktor Ullmann und Frank Martin nach der Dichtung von Rainer Maria Rilke und "Krapp oder das letzte Band" von Marcel Mihalovici und Samuel Beckett.

Seit September 2008 ist er Chefdramaturg und Stellvertreter des Intendanten am Theater Heilbronn. Er führte Regie bei dem Musiktheaterabend "Verklärte Nacht" mit Werken von Arnold Schönberg, den das Theater Heilbronn zusammen mit dem Württembergischen Kammerorchester herausbrachte. Und er zeichnete auch für die Inszenierung der ersten Kinderoper verantwortlich, die das Theater gemeinsam mit der Musikschule der Stadt Heilbronn auf die Bühne bringt: "Brundibar" von Hans Krasa.

In jüngster Zeit inszenierte er das Musical "The Black Rider" von Tom Waits, Robert Wilson und William S. Burroughs und die Komödie "Gatte gegrillt". Und von ihm stammt das Konzept und die Umsetzung des Musikalischen Poems "sinn_spuren".

ZUSATZINFOS

Ein Gespräch mit der Autorin Anna-Katharina Hahn zum Monolog "Die letzte Stufe"

- Was war Ihr erster Gedanke, als Christian Marten-Molnár die Bitte an Sie herangetragen hat, einen Monolog für das Theater Heilbronn zu schreiben?

Anna-Katharina Hahn: Offen gestanden, war das ein sentimentaler. Mein Großvater, Georg Hahn, hat einst als Regisseur in Heilbronn gearbeitet. Das hat dem Anruf für mich etwas Unwirkliches gegeben. Eine Ablehnung kam für mich also schon einmal nicht in Frage. Mein zweiter Gedanke war dann ernsthafter: Es ist eine enorme Chance, als Romanautorin ein neues Medium unter professionellen Bedingungen für sich entdecken zu können.

- Wie intensiv haben Sie sich mit der Musik von Schostakowitsch und den Gedichten, die seiner 14. Sinfonie zugrunde liegen, beschäftigt?

Anna-Katharina Hahn: García Lorca und Rilke gehörten schon immer zu den Autoren, die mir wichtig waren. Apollinaire kannte ich nur als Erfinder des Wortes Surrealismus. Schostakowitsch hingegen ist mir, offen gestanden, fremd geblieben. Das habe ich aber nicht als Hindernis empfunden. Man muss sich da keine Illusionen machen: Musik und Literatur stehen sich doch sehr fern. Die Musik ist so abstrakt wie keine andere Kunst. Die Literatur hingegen arbeitet immer mit Bedeutungen. Eine Buchstabenfolge laden wir immer mit Sinn auf, das geht gar nicht anders.

Was war das Besondere für Sie daran, erstmals für die Bühne zu schreiben? Hatten Sie da eine andere Arbeitsweise?

Anna-Katharina Hahn: Schreibend folge ich meiner inneren Stimme, jeder Text hat für mich einen speziellen Sound, sonst wird nichts aus ihm. In der Zusammenarbeit mit einer Schauspielerin wird diese innere Klangwelt plötzlich in eine Wirklichkeit übersetzt, die mehrere Menschen miteinander teilen.

- Woher haben Sie das Gespür für das Lebensgefühl von alten Menschen, das sich ja auch in der Zeichnung der alten Frau Luise in Ihrem Roman "Kürzere Tage" niederschlägt?

Anna-Katharina Hahn: Zu den schönsten Erfahrungen mit dem Roman gehört es für mich, wie viele Leser sich ausgerechnet von Luise angesprochen fühlen. Schon während des Schreibens wurde mir klar, dass mir diese Figur sehr nah steht, viel näher als die Frauen, die etwa mein Alter haben. Wenzel und Luise stammen sozusagen aus meiner Familie, auch wenn sie ganz anders sind als meine realen Verwandten.

- Gibt es ein Vorbild für Lina Eisele?

Anna-Katharina Hahn: Nein, sie setzt sich aus den verschiedensten Beobachtungen zusammen.

- Ihr Großvater Georg Hahn hat auch mit Ingrid Richter-Wendel gearbeitet, die die Lina Eisele spielen wird. Haben Sie die Grand Dame des Heilbronner Theaters schon kennen gelernt?

Anna-Katharina Hahn: Wir sind uns vor Monaten erstmals flüchtig begegnet, da steckte ich noch mitten in der Arbeit. Für eine so gute Schauspielerin zu schreiben, hat mich beflügelt. Und es war eine Herausforderung.

Ein Gespräch mit Ruben Gazarian über Schostakowitsch und Mussorgsky

-Christian Marten-Molnar nennt Ihre CD-Einspielungen der Kammersinfonien von Dmitri Schostakowitsch spektakulär und schnell kamen Sie überein, dass beim Kooperationsprojekt zwischen WKO und Theater der Komponist Dmitri Schostakowitsch im Mittelpunkt stehen sollte. Was bedeutet die Musik von Schostakowitsch für Sie? Wie ergeht es Ihnen mit der 14. Sinfonie? Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an dieser Musik?

Ruben Gazarian: Die nach außen hin vielleicht sichtbarste Besonderheit kündigt sich bereits bei einem Blick in die Partitur an: Nämlich die Orchesterbesetzung und die sich daraus ergebende ganz besondere und eigenständige Farbe, die dieses Werk von allen anderen Sinfonien Schostakowitschs unterscheidet. Während er bei allen anderen Stücken dieser Gattung sonst ein zum Teil sehr üppig besetztes Orchester braucht (wie übrigens viele seiner Kollegen der sowjetischen Ära, denken wir doch z. B. an Prokofjew oder Khatschaturjan, deren Orchesterapparat oft eine enorme Anzahl an Musikern voraus setzt), greift er bei dieser Sinfonie auf ein reines Streichorchester, welchem zur Seite verschiedene Schlaginstrumente stehen, als absolut gleichberechtigte und ebenbürtige Partner. Schließlich sind da auch noch die beiden Gesangsstimmen von eminenter Bedeutung, die ja letztlich die Dramaturgie des Stücks entscheidend prägen und vorantreiben. Aus der Verschmelzung dieser drei Klangebenen - menschliche Stimme, Streichinstrumente und Schlagzeug - ergibt sich die unverwechselbare Farbe und, wenn Sie so wollen, ja sogar die gesamte musikalische DNS dieses Werks.

Was der 14. Sinfonie einen besonderen Platz in der grandiosen Reihe der Sinfonien Schostakowitschs verschafft, ist meiner persönlichen Meinung nach die - sogar für seine Verhältnisse! - besonders dunkel gefärbte Stimmung und Atmosphäre. Kaum ein Sonnenstrahl vermag das Dickicht des Schwermuts und der Tragik (sowohl im verbalen, als auch im musikalischen Bereich) zu durchdringen. Die Emotionen, die der große Meister bei diesem Stück in Noten gießt, gehen einem unter die Haut und erreichen bisweilen eine Intensität, die bei den Zuhörern (wie auch bei den Ausführenden) die "Grundmauern" der seelischen Empfindungen zum Erzittern bringt. Schon allein das Thema, mit dem Schostakowitsch sich durch das gesamte Stück hindurch beschäftigt, lässt so etwas kaum zu: Der Tod begleitet die so verschiedenen Hauptprotagonisten der Dichtungen auf Schritt und Tritt, zwar sind die Konstellationen und die Situationen so verschieden, an der Allgegenwärtigkeit des Todes ändert das aber nichts.

Wie kein anderer sowjetisch/russischer Komponist, verkörpert für mich Schostakowitsch das, was Dostojewski in der russischen Literatur gewesen ist: Ein Titan, dessen Duktus so unverwechselbar und eigen war. Wie auch bei Dostojewski, dessen Sprache auf eine beinahe magische Art solche Anziehungskraft und Eindringlichkeit entfaltet, dass man sich diesem Sog als Leser kaum entziehen kann, widerfährt mir exakt das Gleiche als Interpret bzw. Zuhörer bei Schostakowitschs Musik. Nicht vergessen darf man den phänomenalen Geist und den Verstand, die hinter solchen Ausnahmeerscheinungen stehen. Übrigens, als ich noch vor vielen Jahren den gesamten Dostojewski durchgelesen hatte, stellte sich mir unweigerlich die Frage, ob (und wenn ja, wie) man diese unbeschreibliche Literatur adäquat in andere Sprachen übersetzen kann und ob jeder derartige Versuch nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, weil seine russische Sprache so außergewöhnlich war. Das ist jetzt aber schon ein anderes Thema...

-Ein zweiter musikalischer Baustein des Abends sind die "Die Lieder und Tänze des Todes" von Modest Mussorgsky. Der Komponist Andreas Tarkmann, ein meisterhafter Arrangeur, mit dem Sie schon zusammengearbeitet haben, hat sie für das WKO arrangiert. Haben Sie zu Mussorgsky eine ähnliche Beziehung wie zu Schostakowitsch?

Meine Wertschätzung für Mussorgskys Musik, der Respekt für seine Bedeutung und den Platz, den er in der russischen Musik einnimmt, sind enorm. Seit ich denken kann, ist mir die russische Sprache - obwohl ich selbst ja kein Russe bin - nah und vertraut. Genauso verhält es sich mit der russischen Kunst und Kultur im Allgemeinen: Sei es Musik, Malerei oder Literatur (alles von Tolstoi, Tschechow, Dostojewski, Pushkin, Gogol und vielen Anderen hatte ich noch während meiner Schulzeit durchgelesen). Warum ich das sage: Die Musik von Mussorgsky ist mir schon allein deshalb sehr verwandt, weil sie ihrem Wesen nach so urrussisch ist. Wie auch die von Tschaikowsky (zu der ich allerdings eine noch viel innigere Beziehung habe), Borodin, Rimski-Korsakow, Glinka oder Rachmaninow. Allerdings - da muss ich eben die kleine Einschränkung machen, ist meine Beziehung zur Musik Schostakowitschs immer noch deutlich intensiver, als zu der von Mussorgsky. Damit haben Sie die Antwort auf Ihre Frage.

-"sinn_spuren" ist das zweite gemeinsame Projekt des WKO mit dem Theater Heilbronn, bei dem die Musik die Anregung für eine szenische Umsetzung war und nun den emotionalen Klangteppich für die Auseinandersetzung mit dem Thema Altern bietet. Was bedeuten diese Kooperationen innerhalb des Arbeitsspektrums, in dem sich das WKO sonst bewegt?

Diese beiden Kulturinstitutionen - WKO und das Theater - haben unterschiedliche Arbeits- und Aufgabengebiete, was ja offensichtlich ist. Während wir neben zahlreichen und höchst erfolgreichen Konzertaktivitäten in unserer Heimatstadt und der Region, den größeren Teil der Spielzeit bundesweit bzw. im Ausland unterwegs sind, ist das Theater in der Region verwurzelt. Das ist natürlich rein geographisch gemeint, denn wir sind auch nicht weniger hier verwurzelt und tragen den Namen unserer Stadt mit Stolz in die Welt hinaus.

Nun, es ist doch so spannend, reizvoll und letztlich auch logisch, wenn unser Orchester mit dem Theater seiner Heimatstadt alle paar Jahre kooperiert. Die bisherigen gemeinsamen Projekte - zwei Mozart-Opern und das Schönberg-Projekt, haben gezeigt, dass es aus dieser Symbiose etwas Großartiges und Beglückendes entsteht. Deshalb bedeutet diese Zusammenarbeit für uns (und sicherlich auch für das Heilbronner Theater) eine fruchtbare und künstlerisch hochinteressante Erweiterung unseres Arbeitsspektrums.
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