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Justizminister Uwe Döring zur Patientenverfügung

(lifePR) (Kiel, )
Nach jahrelanger Diskussion, nach unzähligen Gutachten, Expertenkommissionen und Grundsatzurteilen hat sich der Bundestag endlich auf den Weg gemacht, Patientenverfügungen gesetzlich zu regeln. Obwohl in den Ländern keine besteht, ist es wichtig, über das Recht an der Schwelle von Leben und Tod nicht nur im Berliner Reichstag, sondern möglichst breit in der ganzen Gesellschaft zu diskutieren, auf öffentlichen Veranstaltungen und eben auch im Landtag. Denn die Frage, was die Politik und das Recht tun können, um das Sterben zu erleichtern, geht jeden von uns an. Die meisten von uns wissen, wie sie sterben wollen: zuhause, schnell, ohne Schmerzen, umgeben von Freunden und der Familie. Doch viele, zu viele, sterben stattdessen im Krankenhaus, langsam, oft unter Schmerzen und umgeben von Fremden.

Die moderne Hochleistungsmedizin rettet vielfach Leben und hat die Lebensqualität von Kranken und Sterbenden stetig verbessert. Die Medizin ist in der Lage, Leben auch dann noch zu erhalten, wenn die ärztliche Prognose hoffnungslos ist und ein Patient lieber sterben möchte als weiter zu leiden oder auf den Tod zu warten. Entscheidungen darüber, ob eine medizinisch mögliche Lebensverlängerung tatsächlich sinnvoll ist, gehören heute zur alltäglichen Realität in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Wenn ein Patient bei Bewusstsein und klarem Verstand ist, gilt die Patientenautonomie: Jeder Patient darf und muss selbst entscheiden, ob und wie er behandelt werden will. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn sein Verzicht auf eine medizinische Behandlung den sicheren Tod bedeutet. Diesen Grundsatz der freien Selbstbestimmung des Patienten stellt heute niemand mehr ernsthaft in Frage. Und dieser Grundsatz verliert nicht seine Gültigkeit, nur weil ein Patient aktuell nicht mehr selbst entscheiden kann, zum Beispiel weil er bewusstlos oder demenzkrank ist. Viele Menschen haben Angst, in einer solchen Situation hilflos den Entscheidungen anderer ausgeliefert zu sein. Und diese Angst ist auch der Grund, warum so viele ihre Hoffnung auf eine Patientenverfügung setzen. Ob und wie Patientenverfügungen diese Hoffnung erfüllen können, steht im Zentrum des gegenwärtigen Streits um eine gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen.

Ich gehöre zu jenen, die für eine klare gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen eintreten. Wir brauchen klare Regeln über die Anforderungen, die Verbindlichkeit und die Reichweite von Patientenverfügungen. „Selbstbestimmung mit Kontrolle“ sollte dabei die Richtschnur sein: Soviel Selbstbestimmung wie möglich, soviel Kontrolle und Schutz vor Missbrauch wie nötig. Mir ist durchaus bewusst, wie kompliziert und schwierig vieles auf diesem Gebiet ist, und das keine noch so ausgefeilte gesetzliche Regelung alle Zweifelsfragen beseitigen kann. Doch gerade deswegen sind wir gefordert: Denn auf viele rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Patientenverfügungen gibt es noch immer keine klaren Antworten. Selbst spezialisierte Ärzte und Fachjuristen können nicht immer mit Bestimmtheit sagen, was bei Entscheidungen über Leben und Tod rechtlich gilt, was beim Umgang mit einer Patientenverfügung erlaubt, geboten oder strafbar ist. Das ist schlimm, denn häufig wird einer Patientenverfügung nur deshalb nicht gefolgt, weil die Beteiligten große Angst vor unabsehbaren rechtlichen Konsequenzen haben. Niemand wird eine Patientenverfügung befolgen, wenn er fürchten muss, damit seine berufliche Existenz aufs Spiel zu setzen oder mit einem Bein im Gefängnis zu stehen.

Dieser Zustand ist unzumutbar! Patienten, Angehörige, Pflegekräfte und Ärzte haben einen Anspruch auf einen verlässlichen rechtlichen Rahmen. Der Bundestag als zuständiger Gesetzgeber hat sich lange gescheut, diesen Rahmen zu schaffen. Erst nachdem der Bundesgerichtshof, der Deutsche Juristentag und viele andere eine rechtliche Regelung angemahnt haben, ist in diesem Jahr endlich Bewegung in die Diskussion gekommen. Der Bundestag hat Ende März in einer großen Debatte über den Nutzen und die Gefahren von Patientenverfügungen debattiert. Dabei ist deutlich geworden, dass sehr viele Abgeordnete sich noch keine feste Überzeugung gebildet haben. Mittlerweile sind drei unterschiedliche Gesetzentwürfe öffentlich vorgestellt worden.

Die ersten Lesungen sollen nach der Sommerpause stattfinden. Ob es wie ursprünglich geplant noch in diesem Jahr zu einer Entscheidung kommt, steht in den Sternen. Die drei Entwürfe schlagen sehr unterschiedliche Lösungen vor, die in dem vorliegenden Bericht der Landesregierung näher beschrieben werden. Aus meiner Sicht bedenklich ist die sehr weitgehende Begrenzung der Reichweite von Patientenverfügungen im so genannten Bosbach-Entwurf.

Indem Patientenverfügungen nur bei dauerhaft bewusstlosen bzw. tödlich erkrankten Patienten zulässig sein sollen, fällt der Entwurf hinter die derzeitige Rechtslage zurück. Große rechtliche und medizinische Abgrenzungsschwierigkeiten wären die Folge. Viele der existierenden Patientenverfügungen würden durch die vorgeschlagene Regelung faktisch ins Leere laufen. Dies gilt unter anderem für die religiös motivierte Ablehnung medizinischer Behandlung (z.B. von Bluttransfusionen durch Zeugen Jehovas) oder die Ablehnung von Wiederbelebungsversuchen nach einem Herz- oder Atemstillstand.

Mit guten Gründen räumt hingegen der so genannte Stünker-Entwurf der Selbstbestimmung der Patienten einen größeren Stellenwert ein. Auf eine Reichweitenbegrenzung wird verzichtet und die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen hervorgehoben. Die Vormundschaftsgerichte sollen nur in Konfliktfällen eingeschaltet werden. In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag des Abgeordneten Zöller. Dessen Entwurf verlangt im Gegensatz zum Stünker-Entwurf keine Schriftform für Patientenverfügungen. Der Entwurf sieht insgesamt eine „schlankere“ Regelung vor und steht damit den Vorstellungen der Bundesärztekammer relativ nahe.

Patientenverfügungen können im besten Fall einen Teil der Ängste vor einem unwürdigen und fremdbestimmten Sterben nehmen. Rechtliche Regelungen können immer nur ein Mosaikstein einer ganzheitlichen und umfassenden Herangehensweise sein. Das gilt nirgends so sehr wie beim Umgang mit dem Sterben. Die Verantwortung der Politik hört deshalb bei der Regelung der Patientenverfügung nicht auf. Wir dürfen bei der Gestaltung des Sterbens nie zuerst an Sterbehilfe denken, sondern wir müssen Lebenshilfe in Form von Fürsorge und Solidarität fördern!

Deshalb müssen wir auch durch den weiteren Ausbau von Hospizen, durch gute Pflege und effektive Schmerzbekämpfung ein Sterben in Würde erleichtern. Ich bin sehr froh darüber, dass das Sozialministerium und der Landtag sich engagiert für bessere Rahmenbedingungen für die Hospizarbeit und die Palliativmedizin einsetzen und Schleswig-Holstein zum Vorreiterland machen wollen. Denn wir haben hier noch viel zu tun. Der mit der Gesundheitsreform geschaffene Anspruch auf „spezialisierte ambulante Palliativversorgung“ war ein erster kleiner Schritt.

Der derzeit diskutierte (und zu meinem Unverständnis von der Arbeitgeberseite abgelehnte) Anspruch auf eine Pflegezeit zur Versorgung sterbender Angehöriger wäre ein weiteres wichtiges Signal. Der Bundestag ist aufgefordert, den Bürgerinnen und Bürgern endlich Orientierung und Rechtssicherheit beim Umgang mit Patientenverfügungen zu geben. Ein Scheitern des Gesetzgebungsverfahrens würde viele Hoffnungen enttäuschen und das ohnehin lädierte Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik untergraben. Wir sollten uns gemeinsam dafür einsetzen, dass es dazu nicht kommt!
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