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Wohnimmobilien: "House of Cards"?

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
Wohnimmobilien bergen gesamtwirtschaftliche Risiken. Ihre ausgeprägten Zyklen haben, vor allem über den Kanal der Hypothekenkredite, bei den Finanzkrisen der jüngeren Vergangenheit oft eine zentrale Rolle gespielt. Dies ist nicht nur von historischem Interesse. Hypotheken machen einen im Trend steigenden Anteil an den Krediten insgesamt aus. Die Niedrigzinspolitik von Fed und EZB birgt in diesem Zusammenhang eine nicht zu unterschätzende Gefahr, denn eine zu laxe Geldpolitik trägt die Hauptverantwortung für die Hypothekenblasen seit dem Jahr 2000. Zu Recht werden daher derzeit Fragen gestellt wie: Haben wir in Deutschland aktuell eine Immobilienblase? Oder: Wann fällt endlich das "Kartenhaus" in China zusammen? Global ist deshalb eine bessere Regulierung der zunehmenden Risiken angezeigt, denen sich Banken durch den Fokus auf Immobilienkredite aussetzen. Hier ist der entscheidende Ansatzpunkt für "makroprudenzielle" Instrumente, wie im Zyklus variable Eigenkapitalquoten oder anpassbare Obergrenzen für Darlehen, die sich am Einkommen bzw. dem Wert des Hauses orientieren.

Buy land, they're not making it anymore.
Mark Twain


Wohnimmobilien haben in vielen der konjunkturellen Desaster und Finanzkrisen der jüngsten Vergangenheit eine zentrale Rolle gespielt - als prägnanteste Beispiele wären hier sicher die Zyklen in den USA, Irland oder Spanien zu nennen. Auf einen Boom folgten jeweils einbrechende Preise, Bau- und Verkaufsvolumen. Es ist wohl nicht übertrieben, eine Immobilienblase - mit rasant steigenden Preisen und einer übertriebenen Ausweitung der Bauaktivität - als hinreichende, aber nicht notwendige, Bedingung für eine Krise zu bezeichnen: Nicht jede Krise setzt eine Immobilien-blase voraus, aber eine Blase endet (fast) immer in einer Krise.

Was macht Wohnimmobilien so besonders (gefährlich)? In dieser Publikation beschreiben wir Merkmale, die das Eigenheim als Anlageform von anderen unterscheiden und schildern einige ökonomische und kulturelle Faktoren, die ihm eine spezielle Rolle zukommen lassen. Der Staat greift in vielfacher Hinsicht in den Immobilienmarkt ein - viele dieser Interventionen machen übertriebene Zyklen sogar wahrscheinlicher. Wir argumentieren, dass es vor allem die Hypothekarkredite sind, die dazu beitragen, dass es eine enge Beziehung zwischen ausgeprägten Immobilienzyklen und Finanzkrisen gibt. Es ist daher problematisch, dass der Anteil der Hypotheken an den Bankkrediten global seit Jahrzehnten deutlich zunimmt - und immer noch steigt.

Blick zurück im Zorn: USA, Irland, Spanien

Wir brauchen nur in die jüngere Wirtschaftsgeschichte seit der Jahrtausendwende zurückzublicken, um auf eine Reihe von Fallbeispielen zu stoßen, welche die Problematik anschaulich illustrieren. In den Vereinigten Staaten ging der Boom am Wohnungsmarkt bis 2005/2006 einher mit einer massiv ausgeweiteten Verschuldung der privaten Haushalte und einer sich dramatisch verschlechternden Kreditqualität ("Subprime", "Ninjaloans" - no income, jobs or assets"). Erleichtert wurde diese Entwicklung unter anderem durch den Markt für mit Hypotheken besicherte Anleihen (MBS), der es den Banken erlaubte, Kreditrisiken (scheinbar oder tatsächlich) auf Investoren abzuwälzen. Die guten Bonitätsnoten, die diese Papiere von den Ratingagenturen erhielten, erweiterten zudem den Investorenkreis erheblich und machten so zusätzliche Ersparnisse für Investitionen in den Wohnungsbau verfügbar. Eine unterstützende Rolle spielte zudem wohl der sogenannte "savings glut" in asiatischen Ländern, die in großem Umfang Kapital in die Vereinigten Staaten exportierten - dies war die Zeit, in der das amerikanische Leistungsbilanzdefizit (= Kapitalimport) fast bei 6 % des US-Bruttoinlandsproduktes lag.[1] Befeuert wurde der Boom zusätzlich durch die staatliche Förderung des Wohnungsbaus (siehe unten, S. 4).

Die Korrektur, die auf den Boom folgte, wird als einer der entscheidenden Auslöser der Rezession von 2007 bis 2009 und der globalen Finanzkrise angesehen.[2] Der Markt für MBS trocknete aus, mit erheblichen Auswirkungen an Orten, die weit von den vorherigen Boom-Regionen wie Las Vegas, Los Angeles oder Miami entfernt lagen. Von Düsseldorf bis Newcastle-Upon-Tyne kamen Institutionen in Schwierigkeiten, weil die Werthaltigkeit ihrer angeblich sicheren Assets nicht nur plötzlich fragwürdig wurde, sondern zum Teil tatsächlich nicht mehr gegeben war. Aus Liquiditätsengpässen wurden schnell Solvenzprobleme. The rest is history.

In Irland folgte auf den ersten "Celtic Tiger"-Boom (1995-2000) eine zweite Periode mit hohen Wachstumsraten (2003-2007), die allerdings deutlich weniger solide Grundlagen hatte. Sie basierte nämlich vor allem auf dramatisch steigenden Hauspreisen, den direkten und indirekten konjunkturellen Effekten einer explodierenden Bautätigkeit und einer prozyklischen Fiskalpolitik: Der Bauboom spülte so viel Geld in die öffentlichen Kassen, dass der Staat mit Infrastrukturinvestitionen und Konsum noch Öl ins Feuer gießen konnte. Als der Boom im Crash endete, stand das irische Bankensystem vor dem Kollaps. Zwar gelang es der Regierung, die Banken durch eine Blanko- Garantie zu "retten". Dies war aber eine so große finanzielle Belastung, dass nun die Solvenz des irischen Staates selbst in Frage stand - mit der Folge, dass IWF und EU im November 2010 ein Hilfspaket für Irland auf den Weg brachten.

Ähnlich war die Lage in Spanien, wo ein langjähriger Boom mit Wachstumsraten von rund 3 % genährt wurde von einer Hausse am Immobilienmarkt. 2008 platzte auch hier die Blase. Die Bauaktivität fiel ins Bodenlose, Meldungen von über 700.000 leerstehenden Neubau-Einheiten machten die Runde. Die steigenden Ausfallquoten bei den Immobilienkrediten brachten auch das spanische Bankensystem in ernste Schwierigkeiten - hier halfen dann 2012 ebenfalls supranationale Mittel im Rahmen eines Stützungsprogramms für spanische Banken.

Was ist so besonders an Wohnimmobilien?

Der Besitz des Eigenheims befriedigt in vielen Menschen ein tief verwurzeltes kulturelles Bedürfnis nach Sicherheit und dem Wunsch nach eigenem Grund und Boden. Zwar variiert die Stärke dieses Effekts zwischen einzelnen Ländern - was sich in den unterschiedlichen Wohneigentumsquoten niederschlägt - aber er macht Wohneigentum überall zu etwas Besonderem, das nicht einfach mit anderen Vermögensklassen vergleichbar ist. Dieser psychologische Effekt stärkt die Nachfrage nach Wohnimmobilien, denn er kann den nüchternen Blick auf die Vor- und Nachteile eines Kaufs verstellen. Nicht umsonst gilt der Erwerb des Eigenheims als Teil des "American Dream" und haben Iren aus historischen Gründen ein ganz besonderes Verhältnis zum eigenen Grundbesitz.

Im Gegensatz zu Aktien oder anderen Wertpapieren liefert eine selbstgenutzte Immobilie zudem einen dauernden Strom realen, nicht nur psychologischen oder emotionalen, Nutzens - sie dient eben als Heim. Der Kauf des Hauses hat eine duale Funktion, neben der üblicherweise erwarteten Rendite durch Wertsteigerungen[3] stellt er gleichzeitig eine Sachinvestition dar - wie der Erwerb eines Autos oder eines Haushaltsgeräts mit langer Nutzungsdauer. Hier spielt auch ein anderer Faktor mit hinein - das Räumliche. Gold oder Wertpapiere lassen sich überall lagern. Ein Haus nimmt aber eine bestimmte Fläche ein, deren Angebot - wie schon Mark Twain erkannt hat - letztlich begrenzt ist. Dies gilt umso mehr für besonders attraktive Lagen - ein Haus auf Sylt, mit Fernblick oder in einer zentralen Lokation mitten in einer Großstadt. Insofern ist auch das quasi unbegrenzt zur Verfügung stehende Bauland in Montana oder Texas für die Preisentwicklung von Grundstücken in New York oder San Francisco irrelevant.

Der Preis von Wohnimmobilien hat daher Auswirkungen, die sich dramatisch von denen anderer Assets unterscheiden. So kann ein kräftiger Anstieg erhebliche Verteilungswirkungen mit sich bringen, d.h. die Ungleichverteilung von Vermögen verschärfen. Zwar ist in den meisten Ländern das Wohnimmobilienvermögen gleicher verteilt als das Finanzvermögen. Besitzer bestehender Häuser werden aber bei steigenden Preisen reicher, für potenzielle Erstkäufer nimmt hingegen die finanzielle Belastung durch einen Kauf zu (die Hürde für "den Einstieg" wird höher). Da kletternde Preise in der Regel mit steigenden Mieten einhergehen, sind auch die Mieter auf der Verliererseite eines Hauspreisbooms. Im Extremfall - wie in Manhattan oder Teilen Londons - wird es für Haushalte mit "normalem" Einkommen zunehmend schwierig, sich überhaupt noch ein Leben in der Stadt leisten zu können. Dies kann nicht nur distributiv, sondern auch allokativ zu suboptimalen Ergebnissen führen, wenn eine eigentlich wünschenswerte Bevölkerungskonzentration zusätzlich zur einer möglichen künstlichen Verknappung von Wohnraum (siehe nächster Abschnitt) auch noch durch massiven Aufwärtsdruck auf die Preise durch hohe Nachfrage verhindert wird.[4]

Höhere Immobilienpreise spiegeln meist nicht in erster Linie Veränderungen der Baukosten wider. Auch steht nicht eine trendmäßige Qualitätsverbesserung der Neubauten im Vordergrund. Vor allem in Boomzeiten dominiert klar der steigende Preis des Grundstücks, auf dem das Gebäude steht. Dies gilt vor allem für einzelne Regionen, wo das Bauland besonders knapp ist - z.B. Manhattan oder London.[5] Eine Studie von 2014 zeigt, dass in einer größeren Gruppe von Ländern 80 % des Preisanstiegs zwischen 1950 und 2013 auf höhere Grundstückspreise zurückzuführen ist.[6] Dies macht (selbstgenutzte) Wohnimmobilien zu einem Sonderfall. Höhere Hauspreise sind im Boom in der Regel nicht die Folge steigender Mieten. Die Mieten nehmen meist eher als Folge eines steigenden Grundstückswerts zu, der sich ergibt, weil die Nachfrage durch potenzielle Käufer den Preis des begrenzt verfügbaren Faktors Land nach oben treibt. Bei anderen "Investitionsgütern" steht bei der Bewertung die erwartete Rendite im Vordergrund - Siemens bewertet seinen Maschinenpark z.B. nicht auf der Basis der Frage, was ein potenzieller Käufer dafür zahlen würde. Dies macht Immobilien besonders anfällig für Spekulationsblasen, denn um den heutigen Preis zu rechtfertigen, reicht ja die Erwartung, dass es morgen jemanden geben wird, der einen noch höheren Preise für das Land zu zahlen bereit ist. Bei fremdvermieteten Immobilien zählt eine - je nach Land unterschiedlich gewichtete - Kombination aus erwartetem Wertzuwachs und Mietrendite.

Schließlich, und das ist der entscheidende Punkt, werden Käufe von Wohnimmobilien fast immer größtenteils durch Schulden finanziert. Schon dadurch unterscheiden sie sich merklich von anderen Anlageformen - Sparer, die nie ein Auto, Aktien oder Anleihen "auf Pump" kaufen würden, haben keine Probleme, Schulden im Umfang von mehreren Jahreseinkommen aufzunehmen, um ein Haus zu erwerben. Wir kommen auf das zentrale Thema "Hypothekenschulden" im übernächsten Abschnitt zurück.

Staatliche Eingriffe - "The Good, the Bad and the Ugly"

Der Begriff Immobilienmarkt müsste eigentlich stets in Anführungszeichen gesetzt werden. Auf kaum einem anderen "Markt" sind staatliche Eingriffe und Regularien so vielfältig und einflussreich wie hier. Die Hintergründe sind zahlreich. So gehört Raumplanung zu einer natürlichen staatlichen Aufgabe - Ausnahmefälle wie Houston, wo es keinen Bebauungsplan gibt, bestätigen diese Regel.

Der Staat greift dabei sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite ein. Auf der Nachfrageseite dominiert vor allem die Idee, dass eine hohe Eigentumsquote wünschenswert ist. Besitzer von selbstgenutztem Wohneigentum halten die Bausubstanz oft besser in Schuss als Vermieter und sind eher bereit, verbessernde Umbauten vorzunehmen. Auch werden dem Wohneigentum positive soziale Wirkungen[7] zugeschrieben - eine stärkere Verankerung in der Gemeinschaft und geringere Kriminalitätsraten. In den USA wird dadurch nicht nur begründet, dass die Hypothekenzinsen nicht nur in erheblichem Umfang von der Einkommensteuer absetzbar sind (das Congressional Budget Office (CBO) schätzt die Kosten dieser Subvention auf jährlich etwa 70 Mrd. Dollar oder 0,5 % des BIP), sondern auch die Existenz der (in der Krise auch de jure verstaatlichten) "Governmentsponsored Agencies" Fannie Mae und Freddie Mac. Diese Institutionen garantieren einen seit der Krise noch einmal deutlich gestiegenen Anteil aller Hypotheken in den USA und spielen eine zentrale Rolle in deren Verbriefung durch MBS.[8] Ihre Existenz zielt explizit darauf ab, die privaten Kosten eines Hauskaufs zu senken und so das soziale Spektrum von Immobilieneigentümern um die unteren Einkommensgruppen zu erweitern. Ebenso wie die Steuersubvention für Hypothekenzinsen ist dies aber keine zielgerichtete Sozialpolitik, da das Gros der Wirkung der (oberen) Mittelschicht zu Gute kommt.

Subventionen für den Immobilienkauf für untere Einkommensgruppen (wie derzeit mit dem "Help to Buy"-Programm in Großbritannien praktiziert) haben zwar möglicherweise positive Verteilungswirkungen - auch wenn sie durch ihr zwangsläufig begrenztes Volumen neue Ungerechtigkeiten erzeugen können. Sie fördern aber darüber hinaus die Nachfrage nach Wohneigentum, was zusätzlich preistreibend wirkt. Eine zentrale Stellschraube auf der Nachfrageseite ist schließlich die staatliche Einflussnahme auf die Vergabe von Hypotheken. Hierauf gehen wir im nächsten Abschnitt näher ein.

Staatliche Eingriffe wirken international aber in erster Linie dadurch preistreibend, dass sie eine marktkonforme Angebotsreaktion be- oder verhindern:

- Bebauungspläne - es gibt gute und weniger gute Gründe für staatliche Planungsvorschriften in der Form von Bebauungsplänen.[9] Grüngürtel, wie sie in vielen Städten ausgewiesen sind, erhöhen die Lebensqualität, verknappen aber die Menge an zur Verfügung stehenden Baulands z.T. massiv. Hier schlägt sich nieder, dass vor Ort wohnende Alteigentümer stets mehrheitlich jede Form von Verdichtung ablehnen, da sie die Wohnqualität und damit den Wert bestehender Häuser senkt. Über den politischen Prozess ist daher stets Gegenwind für eine intensivere Nutzung besonders attraktiven Lands wahrscheinlich.[10]

- Baurecht - detaillierte Regelungen, Anforderungen und Genehmigungspflichten (Höhe der Treppenstufen, Zahl der Fenster) erhöhen tendenziell die Baukosten und reduzieren das Angebot. Dies gilt insbesondere auch für die erschwerte Umwidmung bestehender, aber ungenutzter Gewerbeimmobilien für Wohnzwecke. In Deutschland ist hier nicht zuletzt zu nennen, was die FAZ als "Dämmwahn" bezeichnet hat und was in der Bürokratensprache unter "energetischer Ertüchtigung" von Bestandsimmobilien läuft.[11]

- Preis- oder Mietkontrollen - in Deutschland wird jetzt gerade die sogenannte "Mietpreisbremse" eingeführt. Sie deckelt praktisch die erlaubten Mietsteigerungen in besonders attraktiven Städten. Niedrigere Mieten bedeuten aber geringere Renditen für Eigentümer. Dies senkt tendenziell die Anreize, in Bestandsverbesserungen zu investieren oder Neubauten zu errichten. Mietkontrollen führen zudem zu Verzerrungen zwischen In- und Outsidern, also jenen, die von den Regelungen profitieren und denen, die davon ausgenommen sind, sowie zu starken finanziellen Anreizen zum (oft sozial akzeptierten) Betrug. Seit langem gehört es daher zu den Standards von in New York spielenden US-Sitcoms, dass sich irgendeine Folge der Serie um das illegal bewohnte "rentcontrolled apartment" dreht, in dem offiziell jemand ganz anderes wohnt (oft die längst verstorbene Großmutter eines Protagonisten).

- Grundsätzlich dem Staat vorbehaltener Bodenbesitz - in Singapur wohnen z.B. rund 80 % der Einwohner in Immobilien, die auf Grundstücken stehen, die dem "Housing and Development Board" (HDB), einer staatlichen Institution, gehören ("freehold"-System). Der HDB vergibt/verkauft den "leasehold" nur an Staatsbürger des Stadtstaates, wobei Obergrenzen für das Einkommen gelten. Ein solche Regelung gibt der öffentlichen Hand allerdings sehr umfangreiche Machtbefugnisse - deren paternalistische Nutzung nicht nach jedermanns Geschmack sein dürfte: Bis 1991 verweigerte der HDB z.B. jeglichen Verkauf an Unverheiratete unter 35 Jahren, um die Ehe zu fördern. Auch stellt ein solch zentralisiertes System hohe Anforderungen an die Integrität und Transparenz des Entscheidungs- und Vergabeprozesses.

Zahlreiche internationale Studien belegen, dass der preistreibende Effekt staatlicher Eingriffe nicht nur theoretisch ist. So zeigt die Abweichung der Hauspreise vom nationalen Durchschnitt in einzelnen US-Staaten eine recht hohe Korrelation mit dem "Wharton Residential Land Use Regulatory Index",[12] der lokal differenziert die Regulierungsdichte für (Wohnungs-)Bauland abbildet.[13]

Hypothekenschulden: "Safe as houses?"

Der Nexus zwischen Immobilienmarkt und Finanzkrise liegt primär weder in einem Vermögenspreiseffekt (Konsumenten werden in ihren Ausgabeentscheidungen von Vermögensveränderungen beeinflusst), noch in der gefallenen Aktivität/gestiegenen Arbeitslosigkeit im Bau. Im Fokus stehen vielmehr die Hypothekenschulden.

In den meisten Industrieländern sind die Wohneigentumsquoten im Laufe des 20. Jahrhunderts deutlich gestiegen. Deutschland markiert hier eine Ausnahme - allerdings mit der Einschränkung, dass keine Daten für den Zeitraum vor 1945 vorliegen. Mit gut 40 % ist die deutsche Quote auch heute im internationalen Vergleich sehr niedrig. In anderen Ländern ist der Anstieg der Eigentumsquote oft mit einer ähnlich kräftigen Ausweitung der Hypothekenschulden der Haushalte einhergegangen - nicht nur absolut, sondern auch relativ zum BIP oder zu den verfügbaren Einkommen. In den USA legten die Hypothekenschulden von knapp 20 % der Einkommen 1950 bis auf 96 % im Jahr 2007 zu. Diese Ausweitung der Kredite war ein wichtiger Treiber des Hauspreisanstiegs. Damit wurde ein Teufelskreis "steigende Hypothekenvolumen -> mehr Nachfrage nach Häusern -> steigende Hauspreise -> steigende Hypothekenvolumen" angestoßen, der mindestens seit der Jahrtausendwende noch durch das Niedrigzinsumfeld verstärkt wird. Die historisch niedrigen Zinsen schüren die Nachfrage nach Hypothekenkrediten zusätzlich. Erst in der Folge der Krise gingen die Schuldenquoten in den meisten Ländern (meist graduell) zurück.

Studien zeigen, dass die beschleunigte Kreditausweitung nach 2000 u.a. auf zu laxe Regulierung und (vor allem) eine zu expansive Geldpolitik zurückzuführen ist. In den USA wird Alan Greenspan heute für die Immobilienblase der 2000er Jahre mitverantwortlich gemacht, denn unter seiner Ägide fand der extrem langsame Straffungsprozess ab 2004 statt. Für Spanien und Irland war der gemeinsame Leitzins der EZB nach 2000 viel zu niedrig. In Irland verdoppelten sich die Hypothekenschulden relativ zum BIP von rund 30 % im Jahr 2000 bis 2006 auf etwa 60 %. In Spanien nahm die Quote von etwa 35 % bis auf knapp 100 % zu. Die hohe Korrelation zwischen steigenden Hauspreisen und zunehmender Verschuldung der privaten Haushalte lässt sich sowohl auf internationaler Ebene wie auf Basis eines Vergleichs zwischen einzelnen US-Staaten nachweisen.[14]

Warum sind Hypothekenschulden besonders problematisch? Zum einen sind in manchen Ländern Bonitätsprüfungen in der Vergangenheit wohl oft unter der Annahme steigender Hauspreise nicht so genau durchgeführt worden wie es angebracht gewesen wäre - im Notfall konnte die Bank ja auf das werthaltige Haus zugreifen, das mindestens so viel wert war wie die Kreditforderung. In der Folge der Finanzkrise stellte sich diese Annahme vielfach als falsch heraus.

Noch entscheidender ist aber ein anderer Punkt: Eine Aufnahme von Schulden ist grundsätzlich stets dann gerechtfertigt, wenn die Mittel für einen Zweck verwendet werden, der die Rückzahlung und Bedienung der Schulden in der Zukunft ermöglicht. Finanziert ein Unternehmen eine Maschine durch Kredit, muss die erwartete Rendite die Kosten des Kredits übersteigen. Diese Art der Bankkredite - für den Aufbau neuen Produktivvermögens - macht heute im Gegensatz zur Praxis im "klassischen" Banking des 19. Jahrhunderts aber nur einen sehr geringen Anteil an den Krediten aus (das Schaubild auf S. 6 zeigt diesen Anteil exemplarisch für Großbritannien). Selbst der Neubau von Wohngebäuden - deren Strom an gesamtwirtschaftlichen "Wohnungsleistungen" (das Renditeäquivalent bei Eigenheimen)[15] nicht viel mit der Höhe der am (oft staatlich verzerrten) Markt tatsächlich erzielten Mieten und kaum etwas mit dem erwarteten Wertgewinn zu tun hat - macht nur einen geringen Anteil an den Hypotheken aus. Der Löwenanteil der Hypotheken wird letztlich dazu verwendet, dass sich die Haushalte untereinander bereits bestehende Häuser zu immer höheren Preisen abkaufen.[16] Im Zusammenspiel mit steigenden Immobilienpreisen ergibt sich so eine Schuldenspirale, denn der Käufer wird in der Regel eine höhere Hypothek aufnehmen müssen als jene, die vom Verkäufer getilgt wird.

Hypothekenschulden erhöhen die gesamtwirtschaftlichen Schuldenquoten daher überproportional, da dem Anstieg des Zählers nur ein geringer Anstieg des Nenners gegenübersteht: Die Investitionen in Neubau, Renovierungen und Reparaturen und die Wertschöpfung von Maklern und Notaren sind oft deutlich geringer als die Ausweitung des Schuldenvolumens.[17] Eine nachhaltige Erhöhung der Hypothekenschulden unterminiert daher die gesamtwirtschaftliche Schuldentragfähigkeit.

Vor diesem Hintergrund ist es bedenklich, dass der Anteil der Hypotheken an den Gesamtkrediten der Banken weltweit im Trend immer weiter steigt (Schaubild, S. 1). Seit 1900 hat sich ihr Gewicht in einer Gruppe von insgesamt 17 Ländern auf fast 60 % verdoppelt. In einer Untergruppe von wichtigen Industrieländern liegt die Quote alleine für (Wohnungsbau)-Hypotheken im Bereich 50 % bis 70 % (in den USA, wo auch andere Institutionen eine wichtige Rolle spielen, 70 % der Summe aus Bank- und Nichtbankkrediten). Dazu kommen jeweils noch einmal 20 % bis 25 % für Kredite, die mit Gewerbeimmobilien besichert sind.[18] "[...] In einem großen Maße ähnelt das Kerngeschäftsmodell der Banken in den Industrieländern heute dem von Immobilienfonds: Banken nehmen (kurzfristig) bei Kontoinhabern und an den Kapitalmärkten Mittel auf, die sie dann (langfristig) in immobilienbezogene Assets investieren."[19] Dies bietet, nicht nur vor dem Hintergrund der wohl auf längere Zeit sehr flachen Zinsstruktur, Anlass zu Sorge hinsichtlich der Tragfähigkeit dieses Geschäftsmodells.

Ist Deutschland (oder China) die nächste Blase, die platzt?

Die Vergabe von Krediten, die mit Immobilien besichert sind, erfüllt grundsätzlich eine sozial wertvolle Aufgabe. Neu gebaute gewerbliche Immobilien können Produktivkapital (Einkaufszentren, Bürogebäude, Fabriken) sein. Kredite, die mit Grund und Boden besichert sind, können zum Erwerb anderer Formen von Produktivvermögen eingesetzt werden. Hypothekarkredite ermöglichen den Transfer von Wohnimmobilien zwischen verschiedenen Haushalten und zwischen unterschiedlichen Generationen.[20] Aber Immobilienkredite bergen, wie oben dargestellt, die Risiken von a) auf suboptimale Niveaus steigender Verschuldung, b) eines trendmäßigen Anstiegs des Werts von Land relativ zu den Einkommen und c) im Boom einer Fehlallokation von Kapital und realen Ressourcen für Wohngebäude, die weit über das Sinnvolle hinausgehen.

Wie problematisch ist daran gemessen die aktuelle Lage in Deutschland oder China? In Deutschland - wie in den anderen Industrieländern - befinden sich die Kapitalmarktzinsen seit rund 30 Jahren in einem Abwärtstrend, was den Kauf von Wohnimmobilien immer erschwinglicher gemacht hat. Aktuell hat sich dies mit dem von der EZB herbeigeführten extremen Niedrigzinsumfeld noch einmal verschärft: der "Anlagenotstand" und die fast bei null liegenden Sollzinsen stellen eine schwer zu widerstehende Einladung zur höheren Verschuldung dar. Dies gilt vor allem in Ländern mit einem hohen Anteil an variabel verzinsten Hypotheken, denn dort profitieren auch Bestandsschuldner zügig vom Zinsrückgang (in Irland sind rund 90 % der neu vergebenen Hypotheken variabel verzinst, in Spanien etwa zwei Drittel, in Italien 80 % und in Portugal 90 %). In Deutschland hingegen dominiert die klassische Festzinshypothek, typischerweise mit einer Laufzeit von 10 bis 15 Jahren. "Mortgage Equity Withdrawal", also die zusätzliche Beleihung von Wohneigentum, ist praktisch ausgeschlossen, nicht zuletzt, weil Vorfälligkeitsentschädigungen im Vergleich mit den USA die frühzeitige Tilgung eines Kredits und gleichzeitige Aufnahme einer höheren Hypothek unattraktiv machen. Dennoch gibt es Indikatoren, die zur Vorsicht mahnen. Laut OECD sind in Deutschland seit 2010 die landesweiten Hauspreise im Verhältnis zu den Mieten um 20 Prozentpunkte und im Verhältnis zu den Einkommen um 15 Prozentpunkte gestiegen - jeweils der zweithöchste Anstieg über diesen Zeitraum in den 29 OECD-Ländern. Dies sind jedoch Veränderungen, die von im internationalen Vergleich niedrigen Niveaus ausgingen.

In Deutschland liegt die Quote der Schulden der privaten Haushalte zu Einkommen bei gut 80 %. Sie ist seit 2007 um rund 10 Prozentpunkte gefallen. Dieser Stand hat aber viel mit der niedrigen Eigentumsquote zu tun. Zudem ist die Aussagekraft solcher "globalen" Quoten stets eingeschränkt. Wichtig wären Mikrodaten, also Informationen über die Schuldentragfähigkeit der einzelnen Schuldner und die Belastbarkeit der einzelnen Gläubiger, sollte es zu Ausfällen kommen. Die Beispiele Dänemark und USA zeigen, wie wichtig diese Informationen sein können. Die Schuldenquote lag 2007 in Dänemark bei etwa 270 %, in den USA "nur" bei 125 %. In Dänemark sind es aber die reichsten Haushalte, die das Gros der Hypotheken aufnehmen und die die höchste Schuldenquote haben. In den USA hingegen weiteten vor der Krise die ärmsten Haushalte ihre Schulden am stärksten aus und hatten auch die höchste Schulden-zu-Einkommen-Quote.[21]

Landesweit sind in Deutschland derzeit weder eine überschießende Neubauaktivität oder explodierende Hauspreise zu erkennen,[22] die zu einer Fehlallokation von Kapital führen könnten, noch ein Boom bei den Hypothekarschulden. Allerdings bedeutet die im Bankensystem vorhandene und durch das Kaufprogramm der EZB massiv ausgeweitete Überschussliquidität, dass das Kreditangebot (zumindest unter Liquiditätsgesichtspunkten) potenziell quasi unendlich elastisch ist. Vor diesem Hintergrund würden wir aktuell deutschlandweit noch keine Blase konstatieren. Dies bedeutet aber nicht, dass die Preise nicht in Einzelmärkten schon über das fundamental gerechtfertigte Niveau hinaus gestiegen sein könnten - mit entsprechenden Korrekturrisiken für die Zukunft.

In China ist ein angeblich unmittelbar bevorstehender Crash am Immobilienmarkt mit massiven Folgen für das nationale und möglicherweise internationale Finanzsystem seit langem ein Dauerthema.[23] Eine klare Einschätzung der Risiken ist wegen der problematischen Datenlage schwierig. Im vergangenen Jahr lag die Schuldenquote der privaten Haushalte allerdings mit 57 % der Einkommen auf einem sehr moderaten Niveau. Davon machten Hypotheken etwa die Hälfte aus. Die Schuldendienstquote lag 2013 bei 8 % der Einkommen, mit der niedrigste Wert in einer Liste von 22 Industrie- und Schwellenländern.[24] Dem standen allerdings eine Zunahme der Schuldenquote von 2007 bis 2014 um 22 Prozentpunkte und ein Anstieg der Hauspreise (auf Basis eines von mehreren Indizes) im selben Zeitraum von 86 % gegenüber - beides deutlich überdurchschnittliche Zuwächse. Aktuell korrigieren die Preise bereits - im März 2015 lagen die Neubaupreise rund 6 % unter dem Vorjahreswert. Die Problematik ist in China zudem nicht auf den Haushaltssektor beschränkt. Kredite an Bau- und Immobilienunternehmen sowie lokale und regionale Gebietskörperschaften, die Immobilien entwickeln, erreichen ebenfalls ein nennenswertes Volumen. Die Summe der "immobilienaffinen" Kredite lag nach einer Schätzung im vergangenen Jahr bei gut 9 Billionen US-Dollar (zum damaligen Wechselkurs fast 100 % des chinesischen BIP). Wie hoch im Fall eines Immobiliencrashs die Ausfallquoten dieser Kredite wären und welche Auswirkungen das auf Banken und Schattenbanken hätte, ist aber wegen der fehlenden Transparenz für Außenbestehende praktisch nicht nachzuvollziehen. Auch wird allgemein davon ausgegangen, dass Regierung und Notenbank in China Instrumente zur Verfügung stehen, wie sie in demokratischen und marktwirtschaftlich organisierten Systemen nicht vorliegen - nicht zuletzt über die Rekapitalisierung der Staatsbanken. Dies erhöht die Chancen, dass der Staat eine mögliche krisenhafte Entwicklung und ihre Kollateralschäden für das chinesische Finanzsystem eindämmen kann, ohne dass die globale Finanzarchitektur größeren Schaden trägt.

Wie lassen sich die gesamtwirtschaftlichen Risiken senken?

Was kann getan werden, um die angesprochenen Risiken zu reduzieren? Zunächst wären diejenigen staatlichen Eingriffe, die preistreibend und angebotsverknappend wirken, auf den Prüfstein zu stellen. Dies gilt vor allem für staatliche Garantien für private Hypotheken (Fannie und Freddie) oder die steuerliche Begünstigung von Hypothekenschulden durch die Absetzbarkeit von der Einkommensteuer, wie in den USA.

Vielfach wird darüber diskutiert, ob der Staat die "unverdiente" Rendite, die den Eigentümern von trendmäßig im Wert steigenden Grundstücken zufließt, nicht über eine "land value tax" (LVT) vollständig wegbesteuern sollte.[25] Eine solche Steuer würde bei einer korrekten Ausgestaltung weder den Immobilienpreis noch die Mieten erhöhen, aber zu einer erheblichen Umverteilung zu Gunsten der öffentlichen Hand und zu Ungunsten der Eigentümer führen. Vor allem eine laufende Erhebung (z.B. jährlich) wäre jedoch problematisch, da dies eine ständig aktualisierte Bewertung sämtlicher Grundstücke erfordern würde. Aber selbst wenn eine solche Steuer nur beim Verkauf anfällt, stellt sich das Problem, den Wert des Grundstücks vom Wert des darauf stehenden Gebäudes zu trennen. Wegen dieser praktischen Schwierigkeiten - und aufgrund des politischen Widerstands der meist einflussreichen "Kaste der Landbesitzer" - sind solche Steuern in der Realität extrem rar und bleiben wohl eher ein theoretischer Ansatz.

Schon plausibler hingegen wäre eine Reform des Insolvenzrechts. So wird das System in vielen US-Staaten, wo eine Hypothekenforderung durch Rückgabe des Hauses getilgt wird, selbst wenn sein Marktwert unter der Restschuld liegt ("non-recourse mortgage"), inzwischen von mancher Seite als hilfreich angesehen, wenn es um eine möglichst zügige (wenn auch nicht schmerzfreie) Bereinigung von Problemkrediten geht.[26] Die USA und Irland haben ihre Hypothekenausfälle relativ schneller abgearbeitet als Länder, in denen diese Regelung nicht gilt. Schließlich wäre an neue Formen der Immobilienfinanzierung zu denken, die mehr Merkmale von Eigen- als von Fremdkapital aufweisen. Beispiele hierfür sind die von Nobelpreisträger Robert Shiller vorgeschlagenen "continuous workout mortgages", wo sich die monatlichen Zahlungen mit bestimmten Rahmenbedingungen ändern würden.27 Weniger ambitioniert wäre eine stärkere Komponente des "risk sharing" zwischen Kreditgeber und -nehmer. Aktuell ist der mögliche "Gewinn" für den Gläubiger auf volle Tilgung plus Zinsen beschränkt. Eine Form von eigenkapitalnahen Hypotheken würde den Kredit-geber am Wertzuwachs der Immobilie beteiligen. Sie würde allerdings auch einen Automatismus enthalten, der den Kredit teilweise abschreibt, wenn das Haus im Wert verliert oder andere negative Schocks den Einkommensstrom des Schuldners beeinflussen.[28]

Am realistischsten und vielversprechendsten ist wohl eine verbesserte Regulierung der Vergabe von Immobilienkrediten. In einigen Ländern (Großbritannien, Irland) wurden in den letzten Jahren Schritte in diese Richtung unternommen. "Loan-to-value"- und "Loan-to-income"-Regeln deckeln das Kreditvolumen relativ zum Wert der Immobilie oder zum Jahreseinkommen des Kreditnehmers.[29] Diese Regelungen lassen sich ebenso wie höhere Eigenkapitalanforderungen für Banken "kontrazyklisch" gestalten, also so, dass sie im Boom besonders dämpfend wirken, in einer Schwächephase aber entschärft werden. Die Schweiz hat beispielsweise 2013 den sogenannten "antizyklischen Kapitalpuffer" auf Wohnungsbaukredite erst eingeführt und ihn 2014 erhöht, um einer Blase am Immobilienmarkt entgegenzuwirken.[30]

Diese Instrumente machen vor allem eine verbesserte Datenlage auf Mikro- und Makroebene - für die Aufsicht wie für die Öffentlichkeit - erforderlich. Sowohl Disziplinierung durch den Markt wie auch staatliche Regulierung funktionieren umso besser, je mehr detaillierte Daten zeitnah über Kreditvolumen und die Charakteristika einzelner Kreditnehmer sowie mögliche Anfälligkeiten der jeweiligen Kreditgeber zur Verfügung stehen. Solches Datensammeln ist naturgemäß mit Kosten verbunden - für das Unternehmen und den Haushalt, die (online-)Fragebögen ausfüllen müssen und für die Politik, die sich mit Datenschützern und der Frage nach der Herkunft der erforderlichen Haushaltsmittel herumschlagen muss. Wer sich aber die astronomischen Kosten der Finanzkrise in Erinnerung ruft, müsste dies als einen Preis einschätzen, den es wert ist zu zahlen.

Allerdings sind die konkreten Erfahrungen mit einer solchen "makroprudenziellen Regulierung" bislang noch sehr überschaubar.[31] Sie müssen sich erst noch im Feldtest bewähren. Insofern bleibt offen, in welchem Umfang "regulatory capture" oder Vermeidungsstrategien durch die Betroffenen hier ein Problem sein könnten. So drohen Regulierungen, die nur Kreditinstitute betreffen, stets einem wachsenden Schattenbankensektor Vorschub zu leisten. Angesichts des aktuellen Anlagenotstands drängen bereits vielfach Institutionen wie Versicherungen in die Immobilienfinanzierung.

Hohe (ungewichtete) Eigenkapitalquoten (oder Mindestreservepflichten) in Kombination mit antizyklischen "Loan-to-value"- bzw. "Loan-to-income"-Bestimmungen sind wohl der vielversprechendste Ansatz, um einer übertriebenen Kreditvergabe und den daraus resultierenden Stabilitäts- und Konjunkturrisiken entgegen zu wirken. Ob dies in einem extremen Niedrigzinsumfeld auch praktisch funktionieren wird, bleibt allerdings abzuwarten. Bisher haben die Aufseher und Notenbanken in der Eurozone und in den USA noch nicht unter Beweis gestellt, dass sie im Notfall bereit sind, auch unpopuläre Schritte zur Gewährleistung der langfristigen Stabilität zu unternehmen, wenn ihr Preis eine mögliche kurzfristige konjunkturelle Eintrübung sein könnte.

Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden.

[1] Ex-Fed-Chef Ben Bernanke brachte diese These ins Gespräch mit seiner Rede "The Global Saving Glut and the U.S. Current Account Deficit" vom März 2005.
[2] Siehe z.B. Mian/Sufi (2014), IWF (2012) oder Glick/Lansing (2010).
[3] Bzw. im Alternativfall der Vermietung durch die Mietrendite
[4] Zunehmende Bevölkerungskonzentration bringt Vor- und Nachteile: So nehmen Umweltbelastungen, Kriminalität und andere soziale Kosten mit zunehmender Größe einer Stadt/Zahl der Einwohner pro Quadratkilometer in der Regel zu. Gleichzeitig reduziert sich aber die Zersiedelung der Fläche, fallen die Transportkosten und entstehen oft merkliche "cluster-Effekte", die sich positiv auf die Produktivität der Beschäftigten und auf die Innovationskraft der lokalen Firmen auswirken.
[5] Erstaunlicherweise deutet das Schaubild auf S. 3 darauf hin, dass in den USA (zumindest landesweit) ein ungewöhnlich großer Anteil des Hauspreisanstiegs im Boom durch steigende Baukosten verursacht wurde.
[6] Knoll/Schularick/Steger (2014).
[7] Siehe z.B. National Association of Realtors (2012).
[8] Siehe z.B. CBO (2010).
[9] Hierzu zählen auch Denkmalschutzregelungen, die den Abriss oder Umbau von historischer Bausubstanz mit dem Ziel einer intensivierten Nutzung verhindern oder verteuern.
[10] Eine Ausnahme besteht höchstens dann, wenn sich Alteigentümer Veräußerungsgewinne erhoffen, die sich durch eine zukünftige intensivere Nutzung ihrer Grundstücke ergibt - wenn also der Abriss und Ersatz der bestehenden Bausubstanz geplant ist.
[11] FAZ (2015).
[12] http://real.wharton.upenn.edu/...
[13] Siehe McKinsey Global Institute (2015), S. 44.
[14] Siehe McKinsey Global Institute (2015), S. 42/43.
[15] Theoretisch müsste man die Finanzierungskosten des (dauerhaften) Baus mit der Alternative "Errichtung kurzfristiger Behausungen aus laufendem Einkommen" vergleichen.
[16] Dies gilt in abgeschwächter Form auch für den Markt für Gewerbeimmobilien, wo aber zumindest ein Teil der Kredite produktive Neubauten finanziert oder dazu dient, dass ein bestehendes Gebäude vom neuen Besitzer effizienter genutzt wird als vom Verkäufer.
[17] Tendenziell würde auch ein möglicher Vermögenseffekt über höheren Konsum das BIP erhöhen. Dieser Effekt dürfte aber nach den Erfahrungen im Boom in den USA eher gering ausfallen.
[18] Turner (2014), S. 13.
[19] Jordá/Schularick/Taylor (2014a), S. 2.
[20] Selbst die Finanzierung von Konsum durch Beleihung eines Hauses ist aus Sicht der Gesellschaft nicht immer negativ zu bewerten: Sie ermöglicht es z.B. einer jungen Familie, ein geerbtes Haus als Quelle liquider Mittel für die Kindererziehung zu nutzen.
[21] McKinsey Global Institute (2015), S. 48/49.
[22] Siehe z.B. Helaba Immobilienreport vom Dezember 2014 "Deutscher Wohnungsbau bleibt dynamisch"
[23] Siehe z.B. Helaba Immobilienreport vom September 2014 "Immobilienblase in China - ein Dauerbrenner".
[24] McKinsey Global Institute (2015), S. 50.
[25] Siehe z.B. Economist (2014).
[26] Siehe McKinsey Global Institute (2014), S. 51.
[27] Shiller et al. (2011).
[28] Siehe z.B. Mian/Sufi (2014).
[29] Siehe z.B. IWF (2015) und Bank of England (2014). Hongkong, Korea, Kanada, Israel, Neuseeland und Norwegen verwenden bereits solche Regeln. Australien denkt über ihre Einführung nach.
[30] SNB (2014) und Tagesanzeiger (2014)
[31] Deutsche Bundesbank (2014), S. 107-114.


Anhang: Quellenliste
Allen, K. (2015), Mind the housing gap, Financial Times, 14. März 2015.
Bank of England (2014), Financial Stability Report, Juni 2014.
Buttiglione, L./Lane, P./Reichlin, L./Reinhart, V. (2014), Deleveraging? What deleveraging? Geneva Reports on the World Economy 16, September 2014.
CBO (2010), Fannie Mae, Freddie Mac and the Federal role in the secondary mortgage market, December 2010.
Deutsche Bundesbank (2014), Finanzstabilitätsbericht 2014.
EMF (2014), Hypostat – A review of Europe’s mortgage and housing markets, November 2014.
Economist (2014), Why land value taxes are so popular, yet so rare, 14. November 2014.
Economist (2015a), Inequality and housing – through the roof, 28. März 2015.
Economist (2015b), Briefing: Landshackled economies – the paradox of soil, 4. April 2015.
FAZ (2015), Kein Steuergeld für den Dämmwahn! Kommentar von Georg Meck, 1. März 2015.
Glick, R./Lansing, K. (2010), Global household leverage, house prices and consumption, FRBSF Letters, Federal Reserve Bank of San Francisco, Januar 2010.
IWF (2012), Dealing with household debt, in: World Economic Outlook, April 2012.
IWF (2015), Ireland, IMF Country Report 15/78, März 2015.
Jordá, O./Schularick, M./Taylor, A.M. (2014a), The Great Mortgaging: Housing finance, crisis, and business cycles, Federal Reserve Bank of San Francisco Working Paper 2014-23, September 2014.
Jordá, O./Schularick, M./Taylor, A.M. (2014b), Betting the house, Federal Reserve Bank of San Francisco Working Paper 2014-28, Dezember 2014.
Knoll, K./Schularick, M./Steger, T. (2014), No price like home: Global house prices, 1870-2012, CEPR discussion paper 10166, September 2014.
McKinsey Global Institute (2015), Debt and (not much) deleveraging, Februar 2015,
Mian, A./Sufi, A. (2014), House of debt, University of Chicago Press, 2014.
National Association of Realtors (2012), Social benefits of homeownership and stable housing, April 2012.
Reinhart, C./Rogoff, K. (2009), This time is different, Princeton University Press, 2009.
Shiller, R./ Wojakowski, R./Ebrahim, M./Shackleton, M. (2011), Continuous workout mortgages, Cowles Foundation Discussion Paper 1794, April 2011.
SNB (2014), Umsetzung des antizyklischen Kapitalpuffers in der Schweiz, Februar 2014.
Tagesanzeiger (2014), Banken müssen Kapitalpuffer verdoppeln, 23. Januar 2014.
Turner, A. (2010), Escaping debt addiction, Präsentation in Frankfurt am Main, 10. Februar 2014.

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