Der Arzt dürfe von einer mutmaßlichen Einwilligung des Patienten ausgehen und müsse die begonnene OP nach Entdeckung der Zyste nicht abbrechen, um dem Patienten die vorgefundene Situation und den erweiternden Eingriff zu erläutern.
Wie der Anwalt-Suchservice (Service-Rufnummer: 0900 - 10 20 80 9/ 1,99 €/ Min.*) berichtet, hatte sich eine Frau wegen einer entzündeten Zahnwurzel in ärztliche Behandlung begeben. Als entzündungshemmende Maßnahmen nicht anschlugen, sah sich der Mediziner zu einer chirurgischen Wurzelspitzenresektion veranlasst. Über die Risiken des Eingriffs klärte er die Frau auf, die sich sodann zu der OP bereit erklärte. Während der OP entdeckte der Zahnarzt an dem betreffenden Zahn allerdings auch noch eine Knochenzyste, die zuvor selbst auf den Röntgenbildern nicht zu erkennen gewesen war. Er erweiterte daraufhin den Eingriff und entfernte nicht nur die Wurzelspitze, sondern auch die Zyste.
Später verklagte die Patientin ihren Zahnarzt, da er die OP, wie sie meinte, zu Unrecht erweitert habe. Er hätte die Zyste nicht eigenmächtig und ohne vorherige erneute Aufklärung entfernen dürfen, so die Frau. Das OLG Naumburg sah das allerdings anders (Urt. v. 04.10.2007 - 1 U 11/07).
Der Arzt habe vor Beginn der Operation nicht vorhersehen können, dass eine derartige Operationserweiterung in Betracht kommen könnte. Zum Zeitpunkt der Entdeckung der Zyste sei der Kieferknochen bereits geöffnet und die Patientin lokal narkotisiert gewesen. Eine seriöse Aufklärung über die Operationserweiterung wäre nur durchführbar gewesen, wenn die OP abgebrochen, das Operationsfeld verschlossen und die Patientin zur späteren Aufklärung wieder einbestellt worden wäre.
Da die Zystenentfernung indiziert und unbedingt notwendig gewesen sei, so die Richter, hätte ein Abbruch der OP in jedem Fall eine zweite Operation zwecks Entfernung der Zyste zur Folge gehabt. Der aussichtsreiche Versuch, beide Eingriffe, Wurzelspitzenresektion und Entfernung der Knochenzyste, in einer OP vorzunehmen, sei demgegenüber wesentlich sinnvoller gewesen. Der Arzt habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass die Patientin bereit war, die geringen zusätzlichen Risiken einer sofortigen Zystenentfernung auf sich zu nehmen, statt die erheblich höheren Risiken und Belastungen einer späteren zweiten Operation.